Ist das Internet der Dinge (IoT) wirklich das Internet of Everything?

Die Frage, welche Bereiche vom Internet der Dinge erfasst werden, ist müßig, denn man muss lange nachdenken, bis einem etwas einfällt, an das man keinen Adress-Tag hängen kann, über dessen IP-Adresse man dann via Barcode, RFID, NFC, Bluetooth, WLAN oder den nächsten Sparrundfunk über den Verbleib des  Gegenstands, sein Innenleben und seine jüngsten Erfahrungen informiert wird. Und seit man elektronische Schaltungen, Batterien und Antennen auch mit Tintenstrahldruckern drucken kann, müssen das auch nicht teure Chips sein, die man auf die Aktenordner, Cola-Dosen oder Eisenbahnwaggons klebt. Selbst das Tattoo der nächsten Generation wird dadurch intelligent und erzählt, wie der sprechende Grabstein, von den Heldentaten seines Menschen.

Schuld daran sind wir alle und die Chinesen.

Wir alle, weil wir jetzt schon das 15. Handy haben und alle dreißig Sekunden auf den Bildschirm gucken, um bei Facebook nachzusehen,  ob Frieda sich von Patrick getrennt und Angela den Mut zum Ice Bucket hatte oder nicht. Und die Chinesen, weil die sich partout weigern, den europäischen Lifestyle einer freizeitorientierten Schonhaltung anzunehmen und deshalb die Chips und das ganze Elekronikgeschlamper für die Hemdtasche mit der Leistungsfähigkeit eines früheren Uni-Rechenzentrums weniger kosten als ein paar Maß Bier auf der Wiesen.

Und das Schöne (oder Schlimme) ist, dass das mit dem kleiner und billiger immer weiter geht und dabei wird auch noch die Qualität immer besser. Wer wundert sich noch, wenn Rennautos bei Tempo 300 wackelfreie Bilder aus 10 Perspektiven in einer Qualität senden, welche die Fernsehstudios vor kurzem mit ihrem tonnenschweren Equipment nicht hingekriegt haben. Moderne Hochgeschwindigkeitskameras lösen so gut auf, dass man aus der Vibration eines zufällig mit gefilmten Pflanzenblatts den Ton decodieren kann. Das geht übrigens auch mit einem Mikrophon, das man auf ein Fenster im gegenüberliegenden Haus richtet. Aber das ist altmodisch und das haben die russischen Geheimdienste schon vor 50 Jahren gemacht. Modern ist dagegen die Methode, den Beschleunigungssensor, den jedes Smartphone fürs Navi benötigt, als Mikrophon zu benutzen. Und wenn man dann noch gute Beziehungen zum Lieferanten des Kommunikationschip in diesem Handy hat, baut der eine nette Backdoor ein und man kriegt  die Unterhaltung ganz bequem nach Hause telefoniert und spart sich die lästigen Kosten für die Zimmermieten. Das funktioniert übrigens auch, wenn das Navi abgeschaltet und das Mirko zugeklebt ist. Wenn sie also Dinge vorhaben, für die Sie sich genieren, falls sie publik werden, empfiehlt es sich, vorher das Handy aus dem Fenster zu werfen oder den Akku rauszunehmen. Das mit dem Akku hilft aber bald auch nicht mehr, denn es droht eine Chip- und Sensor-Generation, die so wenig Strom braucht, dass sie sich aus den elektromagnetischen Feldern der Umgebung ernähren können. Das nennt man Energy-Harvesting, was irgendwie nett und nachhaltig klingt, fast wie Bio, und tatsächlich dürfte der Energie- und Umweltsektor von der geballten Power der smarten, sich unterhaltenden Chips und Sensoren am schnellsten profitieren. Das nennt man Prozessoptimierung und da ist noch Sparpotential ohne Ende, weil die meisten Systeme noch ziemlich dumme Steuersysteme und keine intelligenten Regelsysteme sind. Den Unterschied zwischen steuern und regeln erkennt man z.B. daran, dass man 3 Minuten an einer Ampel steht, obwohl keiner kommt, einfach weil der Sensor fehlt.

Ihr
Karl Schlagenhauf

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