Vor acht Jahren war die re:publica noch ein Bloggerevent, bei dem sich eine kleine Gruppe Gedanken zur Digitalisierung und anderen Trends machte. Mittlerweile ist sie mit rund 7000 Teilnehmern die größte Digitalkonferenz in Europa. Welche Probleme birgt dieses Wachstum? Und verliert die Veranstaltung dadurch ihren Charme?
Stolz verkündeten die Organisatoren die Eckdaten der diesjährigen Internetkonferenz: 7000 Teilnehmer, 850 internationalen Speaker aus 60 Ländern, 500 Stunden Programm, 17 Stages und rund 700 akkreditierte, internationale Journalisten. Außerdem kooperierte das Event mit der Media Convention, dem internationalen Kongress der Medienbranche. Seit die re:publica 2007 mit rund 700 Teilnehmern startete, verzeichnet die Veranstaltung jedes Jahr mehr Zuwachs und schaffte es namhafte Speaker zu akquirieren – darunter schon Jeff Jarvis (BuzzMachine) und Dieter Zetsche (Vorstand, Daimler AG). Zudem wird bei der re:publica schon lange nicht mehr nur debattiert und zum Nachdenken angeregt, sondern es gibt auch Unterhaltung: Spiele, Produktvorstellungen und natürlich eine Party runden den Charakter ab. Trotz des vollen Programms war es den Veranstaltern wichtig, dass es neben der großen Vielfalt an Themen und Programm auch Möglichkeiten gibt, Networking zu betreiben. Denn schließlich solle ja auch das Feeling eines Klassentreffens erhalten bleiben.
Die Motto-Problematik
Das diesjährige Motto lautete Finding Europe. Markus Beckedahl, Mitgründer der Netzkonferenz, erklärte den Leitspruch in der Eröffnungsrede damit, dass uns Europäer immer noch dieselben Themen wie vergangenes Jahr beschäftigen: Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und die Bedrohung der Netzneutralität. Damit ist Finding Europe inhaltlich der vorherigen re:publica sehr ähnlich; Into The Wild stellte Datenschutz und die NSA-Enthüllungen in den Fokus der re:publica 2014. Beide Titel zeigen, dass sich die Konferenz in den letzten Jahren deutlich politischer zeigte. Trotz der Einführung der Organisatoren in das Motto war vielen Besuchern laut Medienberichten nicht ganz klar, was Finding Europe genau bedeutete. Hier zeigt sich ein typischer Zwiespalt – auf der einen Seite möchte man ein möglichst allgemeines Motto, damit ein möglichst breiter Diskurs stattfinden kann; auf der anderen Seite darf der Leitsatz einer Konferenz nicht zu allgemein sein, da sonst ein Alles-und-Nichts-Charakter entsteht. Dies trifft in besonderem Maße bei steigender Beliebtheit zu.
re:publica, wer bist du?
Aufgrund des offenen Mottos war es auch möglich eine große Bandbreite an Rednern zu beteiligen: Hauptredner waren unter anderem der US-amerikanische Medienwissenschaftler Ethan Zuckerman, der Science-Fiction Autor Cory Doctorow und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth. Aber auch außergewöhnlichere Speaker traten auf – beispielsweise die russische Punkrockband Pussy Riot und der deutsche Astronaut Alexander Gerst. Gerade bei letzterem drängt sich die Frage auf, was das Thema Raumfahrt mit einer Digitalkonferenz zu tun hat – ungeachtet der Tatsache, dass Raumfahrt an sich sicherlich eine spannende Thematik ist.
Mittlerweile kommt auch Kritik aus den eigenen Reihen bezüglich der inhaltlichne Relevanz und Wirkung – nach einer feurigen Rede vergangenes Jahr erschien der Digitalpunker und Internetvordenker Sascha Lobo nicht auf der re:publica 2015. 2014 mahnte er die Scheinheiligkeit der Internetgemeinde an: Sie diskutierten nur und regten sich auf, aber am Ende setzten sie sich nicht aktiv für eine Veränderung ein. Wobei diese Problematik wohl auf einen Großteil der Konferenzen zutrifft.
Die Schattenseite der zunehmenden Größe und Beliebtheit ist gleichzeitig auch der Erfolgsfaktor: Je mehr Menschen angezogen werden, desto massentauglicher muss das Programm werden – also eine Veranstaltung für jedermann. Es ist ein schmaler Grat zwischen trivialen Themen und Trends, die jeden etwas angehen, und zu banale und unspezifischen Inhalten. Daher ist es umso wichtiger, dass die re:publica ihr Image schärft und sich überlegt, was sie in den nächsten Jahren sein möchte.
Unter den Besuchern waren 2015 auch zum ersten Mal die Redakteure von Internet Innovators. Sie interviewten Teilnehmer zu aktuellen Themen und hinterfragten Trends, die auf dem Blog in kuratierten Beiträgen veröffentlicht werden. Das folgende Interview führte unsere Moderatorin Anja Lange mit Andreas Gebhard, Geschäftsführer und Gründer der re:publica.
Quellen:
https://www.rbb-online.de/politik/thema/2015/republica2015/beitraege/republica_fazit.html
https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Republica-System-ist-kaputt-134217
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/re-publica-konferenz-auftakt-ist-gepraegt-durch-frust-a-1032179.html
https://www.zeit.de/digital/internet/2015-05/republica-misstrauen-politik-internet-zuckerman
https://re-publica.de/uber-republica