Im ersten Teil der Serie „Was die deutsche Startup-Szene vom Silicon Valley lernen kann“ haben wir uns sowohl die aktuelle Lage junger Entrepreneure in Deutschland angeschaut, als auch mit den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, in denen sich Jungunternehmer bewegen, beschäftigt. Nun werfen wir einen Blick auf die Bereiche Finanzierung und Politik.
Auf Spurensuche – Teil zwei
Ein weiteres zentrales Thema, das bereits im ersten Teil dieser Serie angeschnitten wurde, ist die Verfügbarkeit von Wachstums- bzw. Wagniskapital in Deutschland. Mangelnde Sicherheit bei der Vergabe von Bankkrediten sowie die fehlende Anzahl geeigneter Investoren erschweren Jungunternehmern den Zugang zu relevantem Start- und Finanzierungskapital. Diese Problematik lässt sich unter anderem in der hier vorgestellten Ernst & Young Studie beweisen. Dabei spielen Bankkredite eine erheblich geringe Rolle für Startup-Unternehmen: Die Finanzierung per Eigenmittel (61%) steht vor Bankkrediten (11%) oder Risikokapitalgebern (21%) , obwohl 57% der befragten Startups in den nächsten zwei Jahren einen durchschnittlichen Finanzierungsbedarf von 1,2 Millionen Euro benötigen. Staatlich subventionierte Gründerfonds von bis zu 500.000€ sollen Abhilfe schaffen. Diese wiegen die wenigen Privatinvestoren jedoch nicht auf, denn eine nachhaltige Wachstumspolitik für Startups ist einzig mit langfristig ausgelegten Risikokapitalausgaben möglich. Bürokratische Hürden, wie Kapitalanlagen, unterschiedliche Gesetzgebungen, ein unflexibler Kündigungsschutz auf EU-Ebene und weitere Sprachbarrieren erschweren die Aufnahme eines Startups-Unternehmen. Die Ergebnisse der AXA Studie können hier noch einmal Bilanz ziehen: Als größtes Hemmnis für Unternehmensgründungen wird in Deutschland „Bürokratischer Aufwand“ fast gleichauf mit „Fehlendem Kapital“ an vorderster Stelle genannt (70 % bzw. 72 %). In den USA wird „Bürokratischer Aufwand“ dagegen nicht einmal von jedem zweiten Befragten als Gründungshemmnis wahrgenommen (45 %).
Ein digitales „Ökosystem“, in dem sich langfristig attraktive Entrepreneure entwickeln können, scheint mit den vorgestellten Rahmenbedingungen nur schwerlich erreichbar.
Status Quo der aktuellen Betrachtung
Das offene Hochschulsystem der USA mit einem verpflichtenden Studium Generale bildet einen idealen Ausgangspunk für revolutionäre Innovationen und interdisziplinäre Netzwerke und Mentorensysteme in Studium und Wirtschaft. Eine gesellschaftspolitische Aufgeschlossenheit gegenüber einer, in Deutschland sehr oft stigmatisierten, „Kultur des Scheiterns“ bilden die Voraussetzungen für die Entwicklung eines risikofreudigen Unternehmergeistes. Eine aktive Venture Capital Branche sowie geringere bürokratischen Hürden minimieren den Einstieg vieler Startup-Unternehmen in Amerika. Deutschland greift demgegenüber auf eine andere Innovationskultur zurück, für die es gute Gründe gibt. Dennoch kann man von den Strukturen der USA lernen, um die in Deutschland zweifellos vorhandenen Potentiale unternehmerischer wie gesellschaftlicher Innovation zu verbessern.
Anforderungen von digitalen Startups an die Politik
Prof. Dr. Tobias Kollmann, Inhaber des Lehrstuhls E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, benennt mit dem Leitbild „Digitale Wertschöpfung und gemeinsame Verantwortung von Startups, Industrie und Politik für die Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ die Basis für politisches und wirtschaftliches Handeln.
Der Staat wird zum zentralen Ausgangspunkt bei der Förderung von Innovationen und Gründern. Dessen Rolle scheint für mindestens 82% der Entrepreneure in der AXA Studie notwendig. Beginnen tut diese Verantwortung mit einem offenen Hochschulsystem: Deutschland hat sich in der Vergangenheit, insbesondere über Fachhochschulen und Berufsakademien, ein anwendungsbezogenes Bildungssystem mit interdisziplinären Netzwerken aufgebaut. Demgegenüber stehen sich jedoch universitärische Studiengänge, deren wissenschaftlicher Bereich oft keinen Zugang zur realen Welt schafft. Empfehlenswert sind hier mehr Flexibilität, eine spätere Spezialisierung (sowohl an universitärischen Einrichtungen und Fachhochschulen) und offenere Grenze zwischen Lehre und Forschung. Dies schafft die Basis für digitale Denker und Macher; Gründern und Fachkräften. Denn der Mangel qualifizierter Fachkräfte wird auch in aktuellen Befragung deutlich.
Zu den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, an denen die deutsche Politik weiterhin zu investieren hat, zählen finanzielle Anreize für Investitionen auf privater und öffentlicher Ebene sowie der Abbau bürokratisch, nationaler und länderspezifischer Hürden. Benötigt wird eine wettbewerbsneutrale und durchsetzbare rechtliche Gesetzgebung für eine globale Internet-Ökonomie. Bedarf besteht auch in der gesellschaftlichen Anerkennung von Erfolg und Akzeptanz von Misserfolg im Hinblick auf digitale Unternehmungen und damit einhergehend in der Chance auf einen persönlichen oder wirtschaftlichen Exit, in welcher konkreten Form dieser auch aussehen mag. Bundesweite Kampagnen, die das Bild eines „Gründers“ positivieren, wären hier wünschenswert. Im Wirtschaftssektor ist die Rolle eines „Mentors“ nicht zu vernachlässigen. Das aktive Engagement erfolgreicher Unternehmer als Mentoren hilft jungen Entrepreneuren Firmen zu gründen und Innovationen voranzutreiben.
Ausblick: Eigentlich hohes Gründerpotential
Im Mittelpunkt aktueller Diskussion über die gegenwärtigen und zukünftigen Startup-Gründer steht die viel diskutierte Generation Y. Skeptiker bezweifeln das Durchhaltevermögen im beruflichen Kontext dieser Generation, deren private Lebensentwürfe wichtiger sein als finanzielle Absicherung und Karriere. Für eine Konzernkarriere scheint diese Lebenswelt heikel, für die Startup-Szene genau richtig. Denn Entrepreneure sind stets von der Realisierung einer Idee fasziniert – nicht von einem hohen Monatseinkommen. Dabei bevorzugt die Generation Y, die auf ein innovatives Umfeld setzt, nach Angaben aktueller Studien, die Mitarbeit in einem Startup-Unternehmen oder gar dessen Gründung. Diese Generation wird die notwendigen Voraussetzung – fachlich sowie charakterlich – mitbringen, die für junge Wirtschaftstreiber unabdingbar sind. Es liegt allein an der Wirtschaft, ihnen viel zuzutrauen und in erfolgsversprechende Potentiale zu investieren.
Das BVDW Start-up Forum auf der weltweit größten Digitalmesse „dmexco“ in Köln beweist seit 2013 wie Gründerförderung in der digitalen Wirtschaft in Deutschland aussehen kann. Über 170 Unternehmer aus der digitalen Gründerszene trafen sich im September 2015 zu Fachvorträgen und Paneldiskussionen. Das Forum dient dabei heute schon als feste Plattform eines globalen Netzwerkes. Im Fokus steht die Vernetzung – mit Startup-Unternehmen und Global Playern. Die eigene Präsenz auf dem digitalen Wirtschaftsmarkt soll geschärft und die Suche nach Business Partner und Investoren unterstützt werden. Melina Ex, Geschäftsführerin der internationalen Mobile Marketing Agentur Fetch Media und Vizepräsidentin des BVDW, gibt im Videointerview einen vertiefenden Einblick über die akuelle Lage von Startup und den Zielen des Start-up Forums und Startup Villages.
Quellen:
https://www.adhibeo.de/2014/07/16/vergleichsstudie-zur-situation-deutscher-und-us-amerikanischer-startup-unternehmen/
https://www.axa.de/site/axade/get/documents/axade/AXA.de_Dokumente_und_Bilder/Unternehmen/Presse/Pressemitteilungen/Dokumente/2015/AXA-Studie-Innovationen-und-Unternehmensgruendungen-in-D-und-USA.pdf
https://bvdw-start-up-forum.de
https://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-Start-up-Barometer-2015-August/$FILE/EY-Start-up-Barometer-2015.pdf
https://www.kas.de/usa/de/publications/39448/
https://www.kas.de/wf/doc/kas_39903-544-1-30.pdf?141210104950
https://www.kas.de/wf/doc/kas_37976-544-1-30.pdf?140623133614
https://www.kas.de/wf/doc/kas_29348-544-1-30.pdf?111122122526
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-210238.html
https://t3n.de/news/konzern-startup-generation-y-604776/