„Wir sollten der Absurdität entkommen ein ganzes Huhn zu züchten, wenn wir lediglich die Beine und Flügel essen. Vielmehr müssen wir ein Medium entwickeln, mit dem wir diese Körperteile separat herstellen können.“ – Winston Churchill, 1930
Geschichte des Bioprintings
Bioprinting ist ein Thema der Moderne, das jedoch ganz offensichtlich seine Grundgedanken schon vor einigen Jahrzehnten gefunden hat und auf ganz grundlegenden sozialwissenschaftlichen und auch philosophisch angehauchten Fragen beruht.
60 Milliarden Tiere wurden im Jahr 2012 weltweit getötet, um den Hunger der Weltbevölkerung nach Fleischprodukten zu befriedigen. Die Bestandteile, die von einem Tier gegessen werden, sind allerdings im Vergleich zu seiner Gesamtmasse schwindend gering. Muskelgewebe sowie der proteinhaltige und verzehrbare Teil eines Tieres sind nur ein Bruchteil des Tieres. Dennoch muss das ganze Tier getötet werden, um die Fleischgelüste des hungrigen Menschen zu befriedigen.
Was die Fleischexperten und –Liebhaber häufig bei ihrem Konsum nicht beachten, ist die Art und Weise der Produktion. Denn die Wertschöpfungskette eines guten Steaks oder des besten Filets bedeutet viel mehr als die artgerechte Aufzucht eines Tieres. Das Füttern gesunder und naturbelassener Nahrung an ein Tier und die richtige ärztliche Versorgung ohne die Zugabe von hormonellen Spritzen um ein Tier zu Höchstleistungen zu treiben sind nur Nebensache. Denn viel mehr wirkt sich der massenhafte Fleischkonsum auf die ganze Weltbevölkerung und die Umwelt aus, wenn man die Produktion genauer betrachtet.
Prozess der Fleischproduktion
Während eines Schlachtungs- und Verarbeitungsprozesses werden enorme Mengen an Treibhausgasen ausgestoßen, die direkt in die Atmosphäre strahlen und so die Klimaerwärmung begünstigen.
Wer hat sich über solche Sachverhalte denn während dem Genuss eines Steaks schon mal bewusst Gedanken gemacht? Wer hat sich schon einmal gefragt, wie viel Prozent des jährlichen Klimaausstoßes durch das, was man gerade konsumiert entstanden ist? Wahrscheinlich die wenigsten Fleischkonsumenten.
Dabei sind es 18% des Treibhausaustoßes weltweit, der für die maschinelle Verarbeitung von Tiererzeugnissen verbraucht wird. Acht Prozent unseres global verfügbaren Süßwassers wird verbraucht, um die 60 Millionen Zuchttiere weltweit zu ernähren. Darüber hinaus bewohnen die zum Verzehr gezüchteten Tiere rund 33 Prozent der eisfreien Landfläche der Welt.
Fleischproduktionsprozesse, das Töten von Tieren als Ganzes, wenn doch nur Teile dieser Lebewesen verzehrt werden können und die Tatsache, dass es sich wirklich um das Töten von
Lebewesen zu häufig reinen Genusszwecken handelt zeigen, wie dringlich es ist, neue Techniken zu entwickeln, wie Fleisch hergestellt werden kann.
Bioprinting: Technik aus der Medizin
Genau diese Problematiken hat sich die Firma Modern Meadow aus Chicago zum Grundsatz gemacht um Techniken zu entwickeln, Fleisch herzustellen, ohne dabei Tiere zu töten. Genauer handelt es sich hierbei um ein 3D Druckverfahren, bzw. 3D Biodruckverfahren um mit „Biotinte“ Fleisch zu drucken ohne den herkömmlichen Erzeugnisprozess gehen zu müssen. Die Technik, die diesem Prozess zugrunde liegt, ist aus der Medizin bekannt und wird als Tissue Engineering bezeichnet.
So werden seit Jahren beispielsweise künstlich Herzklappen in Zellkulturen hergestellt die Menschenleben retten können. Tissue Engineering bedeutet Gewebekonstruktion.
Der Prozess beginnt mit der Entnahme von Stammzellen, die sich am Ende zu der gewünschten Gewebestruktur (Gewebe mit viel Protein, viel Muskelanteil etc.) entwickeln können. Anschließend werden die Zellen in eine Zellkultur mit einem Nährboden, wie Agarose gebracht. In kurzer Zeit wachsen die Zellen in diesem Teilschritt zu einem Zellklumpen heran indem sie sich auf dem Nährboden vermehren.
Im nächsten Schritt wird der Agaroseboden entfernt, sobald die Zellen genug eigenständigen Zusammenhalt aufweisen. Diese dünnen Schichten werden entnommen und als Biotinte in einen 3D Drucker gegeben. Die Form des Fleischstückes wird dann an Hand eines Computerprogramms mit CAD Design bestimmt.
Bevor der Druck startet wird der Zellklumpen in einen Bioreaktor gegeben in dem die Zellen so stimuliert werden, dass sie ihre eigene Charakteristik erhalten. Der Drucker baut dann einige Schichten der Tinte übereinander. Der Prozess ist jedoch sehr komplex und befindet sich aktuell noch in der Entwicklungsphase. Im Gegensatz zu allen bisherigen Druckprozessen, ist Bioprinting eine ganz andere Hausnummer. Erst in geraumer Zukunft wird Bioprinting von Fleisch daher auch für den Konsumenten und für die Massenproduktion tauglich sein.
Finanzierung und bisheriger Einsatz von Bioprinting
Während Modern Meadow mit der Produktion von Leder durch Tissue Engineering schon in den kommenden Jahren ein massentaugliches und ressourcensparendes Produkt im Luxussegement anbieten möchte, wird die Produktion von Fleisch durch Tissue Engineering noch einige Jahre an Forschung und Entwicklung in Anspruch nehmen, so Gabor Forgacs, einer der Gründer von Modern Meadow.
Investoren, die das Projekt unterstützen, wie Peter Thiel, einer der bekanntesten Risikokapitalanleger aus Silicon Valley sind schon gefunden. Auch private Testverkostungen für das erste Produkt, einem kartoffelchipsähnlichen Beef Jerkey in den Geschmacksrichtungen pobanlo, barbecue und teriyaki sind schon erfolgreich abgelaufen und haben Zuspruch gefunden.
Herausforderungen und Grenzen von Bioprinting
Dennoch steht das Business „Bio-Printing“ der Firma Modern Meadow immer noch vor einigen Herausforderungen. Neben den technischen und entwicklungsspezifischen Hürden im Bereich der Forschung und Entwicklung wird sich die Firma in Zukunft mit einigen vermarktungstechnischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen müssen. Die zunehmende Technik führt einerseits in blindes Vertrauen in viele technische Bereiche, häufig jedoch begegnen Firmen jedoch auch anfänglichem Misstrauen der Gesellschaft.
Negative Schlagzeilen aus den Bereichen synthetische Lebensmittelherstellung und Gegner von künstlichen Erzeugnissen werden den Einstieg in den Massenmarkt und Lebensmitteleinzelhandel nicht erleichtern. Selbst 3D Druck ist bis dato noch ein sehr junges Thema, dem noch nicht alle Menschen offen gegenüber stehen. Daher ist es wichtig und unabdingbar für den Erfolg der Vermarktung die Technik transparent darzustellen und ihre Vorteile allgemeinverständlich offenzulegen.
Nicht die Angst vor dem Unbekannten, sondern die Lust auf Neues, auf Verbesserung und auf Partizipation an einer großen Innovation muss im Vordergrund stehen. Wie beispielsweise die folgenden Aspekte:
- Zugang zu neuen Geschmacksrichtungen
- Fleisch für ethische Gesellschaftsgruppen, die Fleisch bisher nicht konsumieren konnten
- Weniger Seuchengefahr
- Klimaschutz
- Tierschutz
- Nachhaltigkeit
Durch das einzigartige Verfahren des Bioprintings könnten eventuell Stammzellen von Tieren gekreuzt werden, um gänzlich neue Geschmacksrichtungen zu kreieren. Dies könnte als Geschäftsmodell auch die Vegetarier motivieren Fleisch zu essen, die dem Fleischkonsum auf Grund des Geschmacks abgesagt haben und ihnen doch den Zugang zu dem proteinreichen Produkt ermöglichen. Auch Vegetariern oder andere Menschengruppen, die dem Fleischkonsum auf Grund der Tötung der Tiere negativ gegenüberstehen kann so der Zugang zu Fleisch gegeben werden.
Die Herstellung erfolgt außerdem unter höchsten hygienischen Standards und hoher Sicherheit, wodurch der Kontakt des Fleisches mit Viren und Krankheitserregern gegenüber herkömmlicher Tieraufzucht und Fleischherstellung schwindend gering ist. Zoonosen,Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können, wie der Rinderwahn, die Schweinegrippe oder die Vogelgrippe, könnten dadurch eingedämmt werden.
Warum ist Bioprinting wichtig für uns?
Die wichtigsten Punkte, die Modern Meadow in den Vordergrund stellt und auch viele Befürworter für das Geschäftsmodell finden könnten, sind die Punkte des Klimaschutzes durch Reduktion des Treibhausgasausstoßes sowie der Tierschutz. Mehr bewohnbares Land für den Menschen, mehr Süßwasserressourcen für den Menschen und nachhaltigeres Wirtschaften insgesamt wären das positive Resultat. Vor allem die Nachhaltigkeit sollte das oberste Ziel sein, denn so wie die Menschheit aktuell in allen Bereichen wirtschaftet, wird sie nicht dauerhaft bestehen können. Ressourcen werden knapp und Unruhen nehmen zu. So weit muss es jedoch nicht kommen, wenn die richtigen Mittel und Technologien in den passenden Bereichen präventiv gegen die Ressourcenknappheit eingesetzt werden. Wenn Fleisch mit den einfachsten Mitteln, ohne die Umwelt zu verschmutzen und ohne großen Aufwand hergestellt werden kann. Ohne dass viel Landfläche oder knappe Ressourcen wie Wasser und saubere Luft darunter leiden. Es wäre nicht nur eine Bereicherung für die Lebensmittelindustrie, sondern für die gesamte Weltbevölkerung.
Die Relevanz, die Bioprinting Forschung gerade zu Beginn finanziell zu unterstützen, ist daher unabdingbar. Forschung und Entwicklung ist zu Beginn eines Forschungsprozesses immer sehr teuer. So kostet aktuell die Herstellung eines Stückes Fleischs im 3D Bioprinter noch mehrere hunderttausend Euro. Wie sich jedoch beispielsweise auch die Kosten der Sequenzierung eines menschlichen Genoms in den letzten zehn Jahren um mehr als das tausendfache gesunken sind, von mehr als einer Millionen Dollar auf nur einen Dollar pro Base, wird sich auch die Forschung und Kosten im Bereich der Herstellung von gedrucktem Fleisch positiv entwickeln.
Zukunft von Bioprinting
Das Thema Bioprinting von Fleisch steckt zwar aktuell noch in den Kinderschuhen, durch die vielen Vorteile, die diese Art der Produktion mit sich bringen kann, wäre ein Durchbruch der Technologie jedoch wünschenswert. Auch wenn einige Arbeitsplätze restriktiv wegfallenwerden, wenn sich die Produktionsweise durchsetzen wird, wird es sich insgesamt auf die Gesellschaft, die Umwelt und den Umgang mit Tieren positiv auswirken. Je weniger Tiere leiden, je weniger Treibhausgas ausgestoßen wird und je mehr Ressourcen, wie Wasser und Land, die auch wir als Menschen in Zukunft benötigen, von uns genutzt werden können, desto besser. Der Weg dorthin wird durch viel Kommunikation und eine große Marketing Maschine geprägt sein. Die Basis für den Erfolg wird die Entwicklung im Bereich der 3D Printing Branche bilden. Denn letztlich ist es dasselbe Prinzip und der einzige Anhaltspunkt, den der Konsument damit verbinden wird. Auch gesetzliche sowie regulatorische Prinzipien und eventuell Demonstrationen von allen herkömmlichen Fleischerzeugern werden bestimmt eine Rolle auf dem Weg in die Massenproduktion von Fleisch aus dem Drucker spielen. So weit ist die Industrie jedoch noch nicht.
Sollten die positiven Faktoren, wie von Modern Meadow beschrieben eintreten und die Produktion kostengünstig möglich sein, wird es jedoch wahrscheinlich sowieso nur eine Frage der Zeit sein bis die Nachfrage nach im Bioprinting Verfahren gedrucktem Fleisch auch von staatlicher Seite kommt.
Ein Beitrag von Kim Heck