Sich an das Umfeld anpassende Laternen, intelligente Verkehrsleitsysteme oder Mülltonnen die melden, sobald man sie leeren muss. Die intelligente und vor allem vernetzte Stadt der Zukunft steht als Vision verschiedenster Konzerne und Stadtverwaltungen im Fokus der Diskussion. Chancen und Risiken werden abgeglichen und Vertreter und Gegner der Smart City setzen sich intensiv mit dem Thema auseinander. Doch was bedeutet Smart City für uns – objektive Zukunftsmusik oder ein Konzept mit Luft nach oben?
Grundlage: Internet of Things.
Unsere heutige Zeit ist von einem durchgängigen Wandel bestimmt. Sei es der Wandel der Demographie, die gegenwärtige Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien oder die steigenden Anforderungen an das individuelle Leben. Zwischen Bereichen, die einst voneinander getrennt wurden, ergeben sich immer mehr Schnittstellen. Diese werden dank des Internet of Things (kurz: IoT) handhabbar. Die Autoren Feng Xia et al. beschreiben das Internet of Things dabei als die vernetzte Interaktion von Alltagsgegenständen, welche mit einer gewissen Art der Intelligenz ausgestattet sind. Zusammenfassend handelt es sich dabei somit grundsätzlich um die gegenseitige Vernetzung von Alltagsgegenständen, welche basierend auf Datenaufnahme, -verarbeitung und -bewertung schnell, geschickt und intelligent mit uns Menschen und anderen Geräten agieren und kommunizieren. Resultat: Sie werden smart und folglich ebenfalls wir und unsere Umwelt.
Bestes Beispiel hierfür ist das Smartphone: Unser Sprachrohr, die Orientierungshilfe, der Ratgeber und der Gegenstand, der oft mehr über uns selbst weiß als wir selbst. Für den Einzelnen ein ständiger Begleiter, für die Vorausdenker unserer Zeit die Grundlage für eine Horizonterweiterung. Das Internet of Things und somit die Vernetzung und Digitalisierung haben dabei vor allem in Zukunft einen entscheidenden Einfluss auf verschiedenste Branchen. Dies bestätigt beispielsweise die aktuelle Internet of Things-Studie aus dem Jahr 2016, in welcher 72% der befragten Unternehmen dem IoT in Zukunft eine entscheidende Rolle und Relevanz hinsichtlich Ihres Unternehmenserfolgs und der Industrie 4.0 zuschreiben. Doch nicht nur innerhalb der Arbeitswelt, sondern auch in Hinblick auf unser alltägliches Lebensumfeld sind Auswirkungen und Entwicklungen des IoT spürbar.
Notwendigkeit: Der Trend der Urbanisierung.
Setzt man sich mit der Beschreibung des Internet of Things und den damit verbundenen Begriffen auseinander, dann stellt sich natürlich die Frage nach der Bedeutung für den Einzelnen beziehungsweise die Auswirkungen auf unser Lebensumfeld und den Ort, welchen wir Zuhause nennen. Die Stadt. Gemäß dem Human Development Report 2015 der UN werden bereits 2050 zwei von drei Menschen weltweit in Städten leben. Das erfordert eine Reaktion im hier und jetzt. Um solch einer urbanen Bevölkerungsdichte gerecht zu werden, muss die Stadt der Zukunft deshalb Lebensinhalt und Lebensqualität für alle bieten und dabei im Sinne des Innovationsgedankens und Ressourcenmanagement intelligent agieren.
Als Lösungsansatz stößt man bei diesem Zukunftsszenario unausweichlich auf den Begriff „Smart City“. Die Smart City ist ein Stadtkonzept, welches zwar weit verbreitet, jedoch nicht allgemeingültig definiert ist und verschiedenste Ausprägungen einer Vision besitzt. Vergleicht man Definition und Beschreibungen der Smart City, dann soll unser Lebensumfeld effizienter, grüner, vernetzter, fortschrittlicher, technologischer und lebenswerter werden. Um im Rahmen des Beitrags ein Verständnis dafür zu entwickeln, lässt sich das Smart City-Konzept an dieser Stelle als sogenanntes System von Systemen zusammenfassen, deren Vision die „Effiziente und nachhaltige Vernetzung von Umwelt, Energie, Verkehr und Bürgern durch Technologie und Daten“ darstellt.
Ansatzpunkte: Technik von morgen bereits heute vor Ort.
Geht man mit offenen Augen durch die Straßen, dann ist es nicht zu übersehen, dass das smarte Stadtkonzept bereits gelebt und aktiv integriert wird. Seien es beispielsweise energieneutrale Gebäude im Hafenviertel der französischen Stadt Lyon oder die Bahnweichen der Hamburger Hafenbahn die melden, wann sie gewartet werden müssen. Viele Städte wollen sich mit dem Titel einer smarten City rühmen. Aber grundsätzlich ist klar zwischen der Etablierung von smarten Elementen in bestehende Infrastrukturen und dem Aufbau komplett neuer und smarter Städteviertel zu unterscheiden. Exemplarisch lässt sich die SM!GHT-Anlage des Energieversorgers EnBW als ein ergänzendes Element nennen, welches als Straßenlaterne der Zukunft nicht nur Licht ins Dunkel bringt, sondern zusätzlich als WLAN-Hotspot, Ladestation für Elektroautos, Notrufsäule und Umweltmessstation fungiert.
Dabei geht es darum, in den eigentlich tagsüber nutzlosen Straßenlaternen weitere Funktionen einzubauen, wodurch eine flächendeckende Vernetzung entsteht. Bestehendes wird genutzt und erweitert. Ein smarter Ansatz, welcher nicht ohne Grund als innovative Technik von morgen für heute seitens EnBW angepriesen wird. Natürlich ist an dieser Stelle anzumerken, dass nicht jede Stadt von heute auf morgen flächendeckend auf solch ein smartes Element umsteigen kann und so zu einer Smart City wird. Die smarte Straßenlaterne wird bis dato noch hauptsächlich in Baden-Württemberg integriert. Jedoch ist nicht zu verachten, dass die smarte Straßenlaterne als Smart City-Element Potenzial hat. Dies zeigte sich nicht nur durch den Gewinn des Digital Leader Award 2016 in der Kategorie „Digitice Society“, sondern vielmehr in dem dahinterliegenden Erlebnis, wie die Vernetzung einer ganzen Stadt umgesetzt und ausgebaut werden kann.
Ein berühmtes Beispiel für die Etablierung eines gesamten Smart City Gebiets ist der südkoreanische Stadtteil New Songdo City, dessen Planung 2001 unter dem Slogan „The future of cities is taking shape“ begann und dessen Projektabschluss für 2020 angesetzt ist. Gemäß den Projektverantwortlichen stellt Songdo das weltweite Vorzeigeprojekt hinsichtlich des Städtekonzepts der Smart City dar. Die virtuelle Welt und die physische Welt verschmelzen. Als Masterplan bezeichnet, erstreckt sich Songdo hierfür über 1500 Quadratkilometer und ist hinsichtlich der Lage optimal zum südkoreanischen Incheon Hafen und – Flughafen gelegen. 30% der Weltbevölkerung soll demnach gerade einmal 3 Stunden von Songdo entfernt sein. Direkt am Gelben Meer und mit einer maximalen Reisezeit von einer Stunde zur koreanischen Hauptstadt Seoul.
Betrachtet man den Stadtplan, dann erkennt man den genau durchdachten Aufbau auch innerhalb der Smart City der Zukunft. Exakt angeordnete Gebäude, gerade Straßenverläufe und 40% der Gesamtfläche in Form von Grünflächen. Doch nicht nur hinsichtlich des Umweltaspektes etabliert sind die Stadt als zukunftsweisend. Der entscheidende Aspekt der gesteigerten Lebensqualität soll durch den komfortablen Lebensstil umgesetzt werden. Das bedeutet, dass alle Lebensmittelpunkte wie zum Beispiel Arbeit, Zuhause, Schule und Freizeit in nur 15 Minuten zu Fuß zu erreichen sind, jegliche Abfälle über ein unterirdisches Rohrsystem entsorgt werden und Ampeln sich je nach Verkehrsaufkommen einschalten.
Die Grundlage hierfür bilden jegliche Arten der Sensorik und Kameraüberwachung. Durch diese werden Daten generiert und in einem zentralen Datenspeicher gesammelt. Es geht insgesamt um die smarte und intelligente Verbindung und Vernetzung Songdos und somit um die Grundzüge des Internet of Things. Ein System aus Systemen. Die Basis hierfür bildet natürlich der Innovationscharakter der Modellstadt und somit die allgegenwärtige Technik. Durch die Kooperation mit verschiedensten großen IT Konzernen wie z.B. IBM ist es möglich, Daten mit Technologien zu verbinden und in die Smart City-Öffentlichkeit zu integrieren, um auf diese Art und Weise die Stadt der Zukunft zu konzipieren.
Realität: Leben in einer Smart City.
Das Leben in einer Smart City ist nicht reine Zukunftsmusik, sondern liegt direkt vor unserer Tür. Doch sind wir schon für ein Leben in einem System aus Systemen bereit? Die 35 Milliarden teure Metropole Songdo ist das beste Beispiel. Gemäß den Vorstellungen der Smart City-Visionäre sollte kein Zentimeter mehr in der Stadt der Zukunft frei sein, doch die Stadt gleicht momentan keiner typisch südkoreanischen Metropole. Verschiedenste Medien beschreiben Songdo und somit die vermeintliche Smart City als eine leere Stadt oder sogar Geisterstadt.
Ruhige Straßen und öffentliche Plätze, keine engen Gassen und südkoreanische Farbenpracht. Obwohl das Stadtkonzept Platz für 340 000 Einwohner bieten soll, lässt sich bereits eine gewisse Zurückhaltung erkennen. Da stellt sich die Frage nach dem „Warum“. Ist es der Gedanke an die ständige Kontrolle durch überwachende Technik, kritische Gedanken hinsichtlich des Datenschutzes, eine fehlende Mentalität oder unterschiedliche wirtschaftliche und politische Situationen. Es gibt verschiedene Ansätze, die einen Einfluss auf die Etablierung und das eigentlichen Leben in einer Smart City haben. Das Konzept ist für spezialisierte Unternehmen eine Einnahmequelle, für die Stadtverwaltungen ein Begriff der Modernität und für die Menschen, die eigentlich darin Leben sollen, bislang noch ein unbekanntes Terrain.
Ein grünes und smartes Lebensumfeld hört sich zunächst verlockend an, doch die dahinterliegende Überwachung weckt bei vielen Bedenken. Von Einschränkung der Freiheit ist die Rede. Natürlich kann man die Eigenschaft der Geisterstadt nicht nur auf dem Aspekt der Technik und demnach Überwachung begründen. Allerdings ist es schwer, eine allgemeingültige Erklärung für die offensichtliche Skepsis gegenüber der Modellstadt Songdo ableiten. Auch politische und wirtschaftliche Faktoren unterscheiden sich grundsätzlich von Land und Land, weshalb man sich die Frage stellen kann, ob Songdo in der derzeitigen Ausführung in Deutschland auf eine andere Einstellung seitens der Bürger stoßen würde.
Vision: Traum mit einer Deadline.
Bezieht man sich deshalb erneut auf die definierte Vision der Smart City, ist ein entscheidender Aspekt die Lebensqualität. Dass die Planstadt derzeit noch nicht in dem geplanten Maße bewohnt ist, bedeutet nicht zwangsläufig ein Scheitern. Es ist vielmehr ein Zeichen für die weitere Notwendigkeit der Anpassung der Vision. Bei der Etablierung einer Vision geht es nicht um eine naive Akzeptanz, sondern vielmehr um das Verständnis, dass Visionen keine stabilen Gebilde sind und sich ebenfalls erneuern und anpassen sobald sie eingetroffen sind. Folglich hilft es nicht, lediglich die technologischen Möglichkeiten einer Smart City zu erweitern und umzusetzen. Es geht darum, einen Mehrwert für die Qualität des Stadtlebens zu schaffen.
Hierfür muss zunächst ein Verständnis dafür entstehen, was Menschen innerhalb der Stadt als Lebensqualität bezeichnen. Es essentiell, die Menschen mit in den Prozess der Smart City Entwicklung einzubinden. Beispielsweise ist die Ökonomie einer Stadt sehr entscheidend. Doch wenn andere Bedürfnisse der Menschen nicht ebenfalls bedient werden, ist es unwahrscheinlich, dass die Smart City Lebensmittelpunkt für alle sein kann – siehe Songdo. Das kreative Potenzial von allen muss genutzt werden um eine Stadt zu entwickeln, in welcher die Menschen in zehn bis fünfzig Jahren leben können. Folglich ist die in diesem Beitrag formulierte Vision der Smart City, das heißt die „[e]ffiziente und nachhaltige Vernetzung von Umwelt, Energie, Verkehr und Bürgern durch Technologie und Daten“ eine wichtige Zielrichtung. Jedoch bedarf es hierfür zunächst einer allgemeinen Definition und bestenfalls eine etappenweise Annäherung an dieses smarte Stadtkonzept.
Zusammenfassend ist es absehbar, dass smarte Elemente immer mehr zu einem Teil unseres Stadtbildes werden müssen, damit diese Smart City in Zukunft ein Lebensmittelpunkt für alle sein kann. Die Auseinandersetzung mit der Vision der smarten City ist dabei eine grundsätzliche Notwendigkeit. Dabei sollte man die Stadt jedoch nicht für Technologien konzipieren sondern für die Menschen die darin wohnen. Die Vision der Smart City ist somit kein beschriebener Endzustand, sondern ein Werkzeug und zugleich smarter Schritt in Richtung Zukunft. Man kann diese Zukunftsschritte euphorisch rennen oder vorsichtig wagen. Wichtig ist jedoch, die Schritte stets zu hinterfragen und gegebenenfalls auch anzupassen.
von Josina Formann