Mit der linken Hand Zähne putzen oder in ungewohnter Reihenfolge abtrocknen. Die Routine unterbrechen und Handlungen mit mehr Achtsamkeit durchführen. Dr. Frank Berzbach spricht mit uns auf der Add Talent, einer Karrieremesse, die dieses Jahr zum ersten Mal in der Hochschule der Medien stattgefunden hat, über Achtsamkeit und Kreativität und wie wir im digitalen Alltag zu ihnen finden können.
Kreativität braucht Stille und Einsamkeit
In modernen Offices haben wir scheinbar alles: zwei Flachbildschirme, 493 digitale Tools, ein Telefon und einen netten Sitznachbar, der gerne mal Smalltalk macht. Das was wir nicht haben sind die beiden Dinge, die für Kreativität unabkömmlich sind: Stille und Einsamkeit. Für Berzbach sind diese beiden Faktoren die Basis jedes kreativen Prozesses. „Klassische Offices nehmen uns die Möglichkeit kreativ zu sein, denn dafür brauchen wir Stille, ein abgegrenztes Territorium, ganz ohne Störungen“. Viele Firmen werben mit offenen Großraumoffices ohne festen Arbeitsplatz und dafür mit flexiblen Arbeitsumfeldern. Doch es habe einen Grund, warum die Chefetage abgetrennte Einzelbüros mit Vorzimmern habe: Ruhe für die Kreativität. Grundsätzlich möge der Mensch abgegrenzte Orte. Nicht umsonst hätte eigentlich auch jeder einen Lieblingsplatz in Stammlokal, erklärt Berzbach.
Wenn wir von Kreativität sprechen, müssen wir uns weg bewegen von der Annahme, Kreativität komme nur in der Design- und Kommunikationsbranche vor. Oft wird Kreativität hauptsächlich diesen Branchen zugesprochen. Berzbach betont das Vorkommen der Kreativität in allen Branchen. Auch Ingenieure oder Steuerberater seien kreativ beim Entwickeln von Ideen. Ganz egal wie sich der kreative Schaffungsprozess gestaltet – die innere Stille sei ein MUSS.
Doch nicht nur im Office sind wir weit weg von Stille und Einsamkeit. Der Mensch begibt sich oft in Situationen der Unruhe. Wir schalten zuhause das Radio an oder kommunizieren digital. Doch wie können wir lernen zu innerer Stille zurück zu finden und uns sowohl im Berufs- als auch im Privatleben kreativen Prozessen hinzugeben?
Die Antwort: Achtsamkeit lernen
Kreativität erfordert einen leeren und klaren Geist. Und zu dieser inneren Stille können wir durch Achtsamkeit gelangen. Berzbach sagt dazu: „Ich kann Ihnen in nur 20 Minuten nicht sagen was Achtsamkeit ist. Ich kann Ihnen nur sagen, was sie nicht ist.“ Achtsamkeit beginne im Jetzt. Sie sei aber weder eine Entspannungstechnik, noch Alltagsflucht – im Gegenteil: Geistesgegenwart spiele eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Achtsamkeit. Achtsamkeit könne folglich auch nicht über das bloße Nachdenken oder Lesen erreicht werden, sondern nur durch kontinuierliches Üben. Wir müssten lernen bestimmte Handlungen bewusster vorzunehmen, denn in der Routine verlieren wir das achtsame Handeln. Ganz alltägliche Handlungen wie Zähne putzen oder abtrocknen können in ungewohnter Reihenfolge zum Erfolg führen – eben jenen Weg zur Achtsamkeit zu gehen. „Routinierte Handlungen können uns unfrei machen, weil wir mit unserem Geist nicht gegenwärtig sind. Wir denken nicht nach über das, was wir im Moment tun“.
Achtsamkeitsübungen seien das Gegenteil von Zerstreutheit. Für alle Achtsamkeitseinsteiger gibt uns Berzbach folgende Handlungsempfehlung mit auf den Weg: „Versuchen Sie mal so langsam wie möglich eine Rosine zu essen“.
Zur Person:
Dr. Frank Berzbach lehrt aktuell Kulturpädagogik an der technischen Hochschule Köln. 2013 erschien bereits sein zweites Buch Die Kunst ein kreatives Leben zu führen aus dem er auf der Add Talent Einblicke zum Thema Achtsamkeit gab. 2010 veröffentlichte er sein erstes Buch Kreativität aushalten und 2016 sein drittes Buch Formbewusstsein.