Warum Sharing Economy unsere Welt nicht automatisch besser macht

Die Ökonomie des Teilens erscheint auf den ersten Blick als die bessere, sauberere und menschlichere Wirtschaft von morgen. Leider macht die Sharing Economy unsere Welt nicht automatisch besser. Dazu müsste man viel weiter denken.

Die Idee, Dinge zu teilen, ist natürlich nicht neu. Allerdings bieten sich heute durch digitale Technologien, insbesondere das Internet, ganz neue Möglichkeiten dazu. Güter lassen sich pachten, mieten, leihen oder unentgeldlich anderen überlassen. Es sind zahlreiche Online-Plattformen entstanden, die Menschen mit den Produkten anderer Anbieter zusammenbringen. So nutzen heute immer mehr Menschen Carsharing Systeme wie Car2Go, sie hören Musik auf Spotify oder vermieten ihre Wohnungen auf Plattformen wie Airbnb.

Der amerikanische Soziologe Jeremy Rifkin sieht in der Sharing Economy sogar das Potenzial, unsere Welt von Grund auf umzukrempeln, das bisherige Wirtschaftssystem abzulösen und den Niedergang des Kapitalismus herbeizuführen. Demnächst würden wir in einer „sozialeren Weltgemeinschaft“ leben, in der wir Dinge gemeinsam besitzen, statt von großen Profiten zu träumen.

Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC nutzt jeder zweite Deutsche bereits Sharing Angebote. Rund zwei Drittel der Deutschen möchte in Zukunft Produkte oder Dienstleistungen selbst teilen oder verleihen. Die häufigsten Gründe für die Teilnahme an der Sharing Economy sind demnach das Verdienen von zusätzlichem Geld, der Gedanke an die Umwelt, ein positiver Einfluss auf die Gesellschaft, Vorteile einer Miete gegenüber einem Kauf und auch das Zusammenkommen von Menschen.

Die Grundidee der Sharing Economy – nämlich, dass große Besitztümer allen Menschen zugänglich gemacht werden, indem man sich die Kosten teilt – ist lobenswert. Aber sind diese Angebote so sozial wie sie auf den ersten Blick scheinen? Hilft die Sharing Economy wirklich dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Umwelt? Mittlerweile zeigen sich auch die unschönen Nebenwirkungen der hochgelobten neuen Form des Wirtschaftens.

Schlechte Arbeitsbedingungen bei Fahrdienstvermittlern.

Private Autobesitzer, die bei Uber als Fahrer registriert sind, protestieren immer weiter gegen den Fahrdienstvermittler. Der Grund: Sie arbeiten auf eigene Kosten und Risiken, haben keinerlei Versicherungsschutz und sind unterbezahlt. Auch weil es rechtlich bisher keine Arbeitszeitenregelung für Uber Fahrer gibt sind viele Fahrer aus ihrer Not heraus überarbeitet und übermüdet.

Uber Fahrten sind für Verbraucher also nicht so günstig, weil die unsichtbare Hand der Sharing Economy die Preise regelt, sondern weil die Fahrer schlechte Arbeitsbedingungen haben. Nicht gerade ein faires Geben und Nehmen.

Städte leiden unter den Auswirkungen von Übernachtungsplattformen.

Nicht nur auf den Straßen, auch in den Häusern macht sich die Sharing Economy bemerkbar. Vor allem bei Touristen beliebte Städte wie Berlin, Amsterdam oder Paris leiden unter den Auswirkungen des Sharing-Booms bei Wohnungen.

Da Immobilienbesitzer mit kurzfristigen Vermietungen auf Plattformen wie Airbnb mehr Geld verdienen als mit langfristig bindenden Mietverträgen, entscheiden sie sich oft gegen die Vermietung an Dauerbewohner. Nach Angaben der Stadt Amsterdam wurden im Jahr 2013 noch rund 4.500 Amsterdamer Wohnungen bei Airbnb angeboten, 2017 waren es bereits 22.000. Diese Wohnungen fehlen in der Folge auf den Wohnungsmärkten. Und wo ein geringes Angebot und eine hohe Nachfrage bestehen, steigen bekanntlich die Miet- und Immobilienpreise. Die Sharing Economy ist hier also gut für den Städtetourismus, aber leider schlecht für die Einwohner.

Auch die Städte selbst verändern sich. Durch die günstigen Übernachtungsmöglichkeiten von Sharing Plattformen kommen mehr Touristen. Das sorgt dafür, dass sich das Stadtbild durch Souvenirshops oder viele Bike-Sharing Anbieter zu Gunsten der Touristen und nicht zu Gunsten der Einwohner weiterentwickelt.

Außerdem entgeht den Städten durch Sharing-Dienstleistungen wie AirBnB eine große Summe an Steuern. Das ist nicht nur unsozial gegenüber den Einwohnern der Stadt, sondern auch unfair gegenüber dem Hotelgewerbe, welches Steuern zahlen muss. Im Gegensatz zu Hotels, Pensionen und Hostels müssen AirBnB-Unterkünfte zusätzlich weder Sicherheits- noch Hygiene- oder Brandschutzauflagen erfüllen. Es ist verständlich, dass die Hotelbranche hier gleiche Wettbewerbsbedingungen fordert.

Die Betrachtung des Wohnungsmarktes zeigt, dass die Sharing Economy manche Probleme löst, dafür aber auch viele neue Probleme schafft.

Sorgt die Sharing Economy für eine positive Ökobilanz?

Das Prinzip der Sharing Economy wird hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten immer sehr gelobt, aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Forscherinnen und Forscher vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, dem Institut für Technologiebewertung sowie dem Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg haben sich genauer mit der Ökobilanz der Sharing Economy beschäftigt. Dabei haben sie errechnet, dass Sharing keinesfalls automatisch ökologisch sinnvoll ist. Was nicht vergessen werden darf, sind die sogenannten „Rebound Effekte“. Sie besagen, dass durch die günstige Nutzung von Gütern wie Wohnungen oder Fahrzeugen auch mehr Nutzung entsteht.

Wenn die Übernachtungskosten dank Diensten wie AirBnB rasant sinken, fliegen die Menschen öfter mit umweltbelastenden Flugzeugen für einen Kurztrip in Städte, sie kommen von weiter her und bleiben länger. Genauso beim Carsharing: Ist die Nutzung von Car2Go günstig, nimmt man öfter das Auto anstatt mit der Bahn oder dem Fahrrad zu fahren. Und wenn man noch weiterdenkt: Vielleicht wird von dem Geld, welches ein Mensch durch die Vermietung eines seiner Güter verdient hat, auch wieder etwas Neues angeschafft, dass ansonsten nicht gekauft worden wäre?

Es wird klar, dass das Sharing von Produkten nicht automatisch ökologisch sinnvoll ist. Beim Apartment-Sharing gibt es einen Umweltnutzen nur, wenn alltäglich genutzter Wohnraum vermietet und so intensiver genutzt wird. Nicht wenn dafür eigens Ferienwohnungen eingerichtet werden. Generell kann die Ökobilanz nur dann positiv ausfallen, wenn sich der allgemeine Konsum durch die Sharing Economy nicht erhöht.

Macht die Sharing Economy die Welt wirklich besser?

Generell stellt sich die Frage, was wir Menschen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eigentlich mit dem Prinzip des Sharings erreichen wollen. Steht dabei der Ressourcenschutz im Vordergrund? Oder geht es darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken?

Dass die Sharing Economy in ihrer derzeitigen Form auch automatisch sozialere Verhaltensweisen hervorbringt, bezweifeln einige Experten. Die Historikerin Luise Tremel von der Stiftung Zukunftsfähigkeit erforscht gesellschaftliche Veränderungsprozesse und sagt: „Was Uber und Airbnb betreiben, ist gar kein Teilen. Dort kapitalisieren lediglich Leute ihre Wohnungen in guten Stadtteilen, damit andere Leute mit ohnehin guten Zugangschancen zu Gütern sie mieten können.“ 

Was das Wohlergehen der Menschen angeht muss hier darauf aufgepasst werden, dass sich Kleinverdiener aus Not nicht selber ausbeuten, indem sie ihre Zeit und ihre Dienstleistung als Kleinselbstständige billig in den Dienst großer Sharing-Unternehmen stellen. Während diese großen Firmen wiederum die Gewinne abgreifen. Denn dann hätten wir tatsächlich eher noch mehr Kapitalisierung als eine schönere und sozialere neue Welt.

Wie aus Teilen gutes Teilen werden kann.

Ohne Frage kann die Sharing Economy für viele Menschen finanziell lukrativ sein. Sei es, weil man unbenutzte Güter oder Dienstleistungen gegen Geld für eine begrenzte Zeit anbieten kann, oder weil man selbst kostengünstige Sharing Angebote nutzt. Wirklich sinnvoll wird die Sharing Economy in den Augen vieler Forscher aber erst, wenn sie für eines sorgt: Sozialen Reichtum.

Luise Stremel hat Ideen dafür gesammelt, wie aus dem Teilen der Sharing Economy ein gutes Teilen werden kann, das die Menschen wirklich sozial weiterbringt. In ihren Augen ist das in drei Fällen gegeben:

  1. Wenn weniger Ressourcen verbraucht werden
  2. Wenn Teilen mehr menschliche Begegnungen schafft
  3. Wenn es denjenigen Zugang zu Waren, Arbeit und Dienstleistungen ermöglicht, die diesen Zugang sonst nicht hätten.

Ein Beispiel dafür sind Bürgerinitiativen für mehr Nachbarschaft, welche es inzwischen in fast jeder Stadt gibt. Man findet sie in Apps und Portalen wie www.netzwerk-nachbarschaft.net oder www.nebenan.de.

Auf diesen Plattformen können sich alle registrieren, die mehr Kontakt zu ihren Nachbarn und anderen Viertelbewohnern haben wollen. Hier kann man sich gegenseitig Hilfe beim Babysitten und Einkaufen anbieten, Dinge verschenken, die man nicht wegwerfen möchte, Hofflohmärkte und Feste organisieren oder sich einfach auf ein gemeinsames Bier verabreden. Bei anderen Offline-Nachbarschaftsinitiativen rufen Aufkleber an Haustüren beispielsweise zu folgendem auf: „Klingle bei mir, wenn Du Handwerkerutensilien oder Küchengeräte brauchst!“

Im Grunde wollen solche Initiativen eines: Dass Menschen nicht nur nebeneinander wohnen, sondern wieder mehr miteinander reden.

Wenn sich auch die großen Plattformanbieter stärken an den drei Grundsätzen von Luise Tremel ausrichten und in bestimmten Bereichen wie dem Wohnungsmarkt oder bei Fahrdienstleistern Regulierungen eingeführt werden, steht einer fairen Sharing Economy für alle nichts mehr im Weg.

Sarah Kohlen| Hochschule der Medien, Stuttgart
Digital Media Technologies | Prof. Dr. W. Gruel | WS17/18

Quellen:

Birnesser (2015): „Die Share Economy ist nicht fair oder unfair“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.techtag.de/it-und-hightech/share-economy/prof-michael-woywode-die-share-economy-ist-nicht-fair-oder-unfair/

Engert (2017): „Die Summe der einzelnen Teile | Sharing Economy: Was sagt die Wissenschaft?“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://detektor.fm/wirtschaft/die-summe-der-einzelnen-teile-sharing-economy-wissenschaft

Lobo (2014): „Auf dem Weg in die Dumpinghölle“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/sascha-lobo-sharing-economy-wie-bei-uber-ist-plattform-kapitalismus-a-989584.html

Oberhuber (2016): „Gutes Teilen, schlechtes Teilen“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-07/sharing-economy-teilen-tauschen-airbnb-uber-trend/seite-2

PwC-Studie (2015): „Share Economy“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.pwc.de/de/digitale-transformation/pwc-studie-share-economy.html

Redaktion (2017): „Forscher berechnen Ökobilanz: Noch ist die Sharing Economy allemal blassgrün“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.sonnenseite.com/de/wirtschaft/forscher-berechnen-oekobilanz-noch-ist-die-sharing-economy-allemal-blassgruen.html

Vogelpohl; Simons (2015): „Kontroversen ums Teilen“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.peer-sharing.de/data/peersharing/user_upload/Dateien/PeerSharing_Arbeitsbericht2.pdf

Wadhawan (2016): „ Am Ende setzt sich immer Uber durch“. Online zuletzt abgerufen am 7.02.18 unter: https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-06/sharing-economy-arbeitsrecht-uber-digitalisierung-gefahren