Können Katzenvideos die Welt verbessern? – Die Möglichkeiten von Positiver Psychologie

Dr Nico Rose Bertelsmann Foto: Kim Heck
Dr. Nico Rose Bertelsmann Foto: Kim Heck

Können Katzenvideos die Welt verbessern? Unter Umständen ja – sagt Dr. Nico Rose. Er hat positive Psychologie an der University of Pennsylvania studiert. Neben dem Buch „Lizenz zur Zufriedenheit“ hat er bislang rund 50 Fachartikel oder Buchbeiträge veröffentlicht. An der Konferenz für Talentmanagement „add Talent“ an der Hochschule der Medien durften wir Nico Rose treffen und uns private und berufliche Ratschläge rund ums Thema positive Psychologie holen.

Fakt 1: Wir haben sehr lange auf den Weg von -10 bis 0 geschaut

Was ist eigentlich positive Psychologie? Es ist eine neue Unterströmung in der wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Psychologie, erklärt Nico Rose. Die Geburtsstunde war im Jahr 1998 – relativ spät im Vergleich zur Psychologie als Wissenschaft als solcher. Psychologen haben sehr lange vor allem an den unangenehmen Themen des menschlichen Lebens geforscht. Es ging sehr viel darum, wie man negative Phänomene des menschlichen Lebens beheben kann. Was ist eine Depression? Wie entsteht sie? Wie behandle ich sie? Martin Seligman von der University of Pennsylvania hat gemeinsam mit einigen Mitstreitern letztendlich beschlossen, sich auch der anderen Seite zu widmen. Wie komme ich von 0 auf +10? Unter welchen Umständen finden Menschen ihr Leben sinnvoll? Was lässt Beziehungen gelingen? Positive Psychologie setzt den Fokus auf positive Themen des menschlichen Erlebens.

Fakt 2: Nett bringt oft mehr als klug sein

Dabei lassen sich die Prinzipien nicht nur auf das Privatleben anwenden. Positive Psychologie kann auch einen entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg darstellen. Ein Teilbereich der positiven Psychologie beschäftigt sich beispielsweise mit der Frage: Was lässt Beziehungen auf der Arbeit gelingen? In internen Studien hat Google untersucht, was die guten Teams von weniger guten Teams unterscheidet. Das Ergebnis: Es liegt nicht an der individuellen Qualität der Menschen, sondern daran, wie die Menschen ihre Beziehungen zueinander gestalten. Plakativ ausgedrückt bedeutet das: Gute Teams sind nett zueinander – erklärt Nico Rose. Der Fachbegriff hierzu ist Psychological Safety. Wer sich in seiner Gruppe akzeptiert und wohl fühlt, dass Gefühl hat, sich unabhängig von konkreter Erfahrung, Hierarchie, Geschlecht usw. aktiv einbringen zu können, liefert auch mehr Input für die Gruppe. Psychological Safety ist damit der Nummer Eins Treiber von Teameffektivität bei Google.

Fakt 3: Positive Emotionen haben einen Sinn

Laut Nico Rose gibt es per se keine guten oder schlechten Emotionen. Sie haben alle ihre Berechtigung. Trauer hilft bei­spiels­wei­se dabei, Verluste zu verarbeiten, Angst schützt vor Gefahren. Und positive Emotionen? Sie weiten unseren Blickwinkel. Wer glücklicher ist, hat laut Studien tatsächlich einen physisch weiteren Blickwinkel, erklärt Nico Rose. Es geht aber auch um den mental erweiterten Blickwinkel. Wer sich unwohl fühlt, zieht sich eher zurück und sucht Vertrautes. Menschen, die sich gut fühlen, sind offen. Sie nehmen eher Kontakt zu anderen Menschen auf, sind interessierter und entwickeln eher neue Ideen. Mit negativen Emotionen ein Brainstorming zu starten, ist daher genauso sinnlos, wie mit einer Augenklappe Fensterputzen zu wollen.

Fakt 4: Emotionen sind ansteckend

Gegen Emotional Contagion hilft auch kein Händewaschen. Emotionen sind ansteckend. Bei jeder Begegnung werden auch Emotionen übertragen. Führungskräfte haben mit ihren Emotionen sogar noch eine viel stärkere Wirkung auf ihre Mitarbeiter als umgekehrt. Aber nicht nur auf sie. Emotionen können ganze Netzwerkeffekte auslösen. Ein schlechtgelaunter Chef überträgt seine Emotionen auf den Mitarbeiter. Der Mitarbeiter überträgt sie auf seinen Kollegen. Irgendwann kommen diese negative Emotionen sogar beim Kunden an. Damit tragen wir als hypersoziale Wesen nicht nur Verantwortung für unsere eigenen Emotionen, sondern zum Teil auch für die unserer Mitmenschen.

Fakt 5: Katzenvideos können den Unternehmensabsatz steigern

Aktives Emotionsmanagement ist ein absolutes Muss für Führungskräfte, erklärt Nico Rose. Es geht darum, sich selbst in eine neutral-positive Grundstimmung zu bringen, um keine negativen Emotionen zu übertragen. Dafür reichen oft ein paar Minuten. Der Tipp des Psychologen: „Guckt euch Katzenvideos an, wenn euch Katzenvideos glücklich machen.“ Nico Rose selbst schaut gerne Videos von seinen zwei Kindern, um positive Emotionen zu sammeln. Letztendlich muss jeder seine eigene positive Quelle finden. Wichtig ist, diese Quelle regelmäßig anzuzapfen, sei es vor Meetings mit Mitarbeitern oder vor wichtigen Kundengesprächen.

Fakt 6: WWW – das einfachste Rezept zum Glück

In diesem Fall ist nicht das „world wide web“ gemeint – wobei das durchaus eine große Hilfe sein kann. Zunächst geht es aber um das Prinzip „what went well“. Es ist wichtig, sich immer wieder auf Positives zu fokussieren, betont Nico Rose. Unser Gehirn ist darauf programmiert, negative  Reize bevorzugt aus den vorhandenen Informationen heraus zu filtern. Wenn sich hinter einem schönen Brombeerbusch ein Säbelzahntiger versteckt, war die lebensrettende Information für unsere Vorfahren zunächst einmal der Säbelzahntiger, der Busch war zweitrangig. Um eine positive Grundstimmung zu erhalten, ist es aber wichtig, sich immer wieder auf die schönen Brombeerbüsche im Leben zu konzentrieren. Ohne rosarote Brille – es geht um das bewusste Wahrnehmen von positiven Reizen.

Der permanente Nachrichtenfluss über Social Media oder Apps macht einem das nicht leichter – immerhin sind die meisten Nachrichten negativ. Umso wichtiger ist es, bewusst auch Zeit für Positives zu schaffen. Nico Rose hat sich dabei auch die Digitalisierung zur Hilfe genommen: Zum Beispiel mit einer Tagebuch-App, in der jeden Abend die positiven Momente des Tages festgehalten werden. Oder einer App, die per Push-Nachrichten daran erinnert, neue wünschenswerte Gewohnheiten auszubilden.

Zur Person:

Dr. Nico Rose ist Er ist Psychologe (WWU Münster) und wurde an der EBS Business School promoviert. Sein Studium in Positiver Psychologie hat er 2014 an der University of Pennsylvania abgeschlossen. Neben dem Buch „Lizenz zur Zufriedenheit“ hat er bislang rund 50 Fachartikel oder Buchbeiträge veröffentlicht. Seit 2010 arbeitet er im Stab des Personalvorstands der Bertelsmann-Gruppe. Aktuell leitet er eine internationale Abteilung für Employer Branding und Recruiting.

Auf die Frage, wie er sich selbst in drei Sätzen beschreiben würde, antwortete Nico Rose:

Ich bin leidenschaftlicher Familienmensch. Ich habe zwei kleine Kinder (Vier Jahre und zehn Monate).

Ich bin leidenschaftlicher Heavy Metal-Fan. Auch wenn man das an meinem Kleidungsstil nicht mehr erkennt.

Und ich bin leidenschaftlicher positiver Psychologie, weil ich glaube, dass sie Menschen glücklicher und Unternehmen zu besseren Orten machen kann.