Noch nie war es so einfach einer großen Menge an Personen eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung zu stellen. Und gleichzeitig wurden wir noch nie mit so vielen Informationen konfrontiert. Das Internet hat sowohl die Aufnahme, als auch das Verfassen und Verbreiten von Informationen stark vereinfacht. Um hier nicht den Überblick in der digitalen Welt zu verlieren, ist der schnelle Zugriff auf die gewünschten Informationen zum richtigen Moment essentiell. Eine Möglichkeit, das zu erreichen, ist die Anreicherung der bestehenden Welt durch computergenerierte Extras. Mit dieser Erweiterung der Realität ermöglichen diverse Anwendungen unter dem Begriff „Augmented Reality“ (kurz AR) eine Anreicherung der realen Umgebung durch digitale Informationen.
Während bei der Virtual Reality in einer komplett computergenerierten Umgebung eine Wahrnehmung der Wirklichkeit samt aller physikalischen Eigenschaften suggeriert wird, geht es bei AR lediglich um die Erweiterung der bereits bestehenden Umwelt. Es entsteht eine Interaktion zwischen computergenerierten Objekten und der Wirklichkeit – und somit eine Erweiterung.
Vor allem der fast flächendeckende Besitz von Smartphones, und die damit einhergehende notwendige Hardware für den Gebrauch von AR, führt zu einer unglaublichen Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Doch für den Erfolg dieser Zukunftstechnologie ist nicht nur ein breites Anwendungsfeld entscheidend, sondern auch eine überzeugenden User Experience.
Wer schon einmal in Kontakt mit AR gekommen ist weiß, egal wie nützlich die Anwendung in der Theorie sein kann – wenn es in der Praxis nicht funktioniert wie erwartet ist die Frustration groß. Und die Geduld der Nutzer in der Regel sehr gering.
Eine reibungslose Funktionsweise von AR Anwendungen ist somit nicht nur für den Nutzer von größter Bedeutung, sondern auch für den Betreiber, der in der Regel eben jenen Nutzer überzeugen will. Der wirtschaftliche Erfolg steht und fällt mit der User Experience.
Zu den Erwartungshaltungen gehört unter anderem, dass die Realitätserweiterung nicht nur statisch ist, sondern sich immer wieder an die aktuelle Position des Nutzers anpasst. Dies sollte unabhängig von Lichteinflüssen und Veränderungen in der realen Umgebung funktionieren und eine hohe Genauigkeit bei der Überlagerung von Realität und computergenerierter Umgebung erlauben.
Mit Blick auf die technische Funktionsweise bedeutet das: eine schnelle Initialisierung, ein stabiles Tracking sowie das Zusammenspiel von Hardware, Software und Anzeigegerät sind unerlässlich für eine überzeugende AR.
Zu einer der großen Chancen der AR Technologie gehört, dass fast jeder ein Anzeigegerät bei sich trägt und das oft 24/7: das Smartphone. Somit überrascht es auch nicht, dass die beiden Marktführer auf diesem Gebiet eigene Werkzeuge für Entwickler kreiert haben. Diese sind zum einen ARCore von Google und ARKit von Apple.
Mit allein knapp 400 Millionen ARKit kompatiblen iPhones am Markt zeigt sich, warum es so attraktiv sein kann sich mit dem Bereich AR zu beschäftigen – sowohl für Entwickler als auch für Google und Apple.
Aber wie unterscheiden sich die Funktionsweisen von ARKit und ARCore? Wie garantieren sie eine überzeugende User Experience? Und welche Möglichkeiten haben die Entwickler?
Diese Fragen muss man sich stellen, wenn man die Zukunft von AR betrachtet. Denn nur mit überzeugendem Content für die Nutzer kann sich AR als Technologie langfristig durchsetzen. Und nur mit geeigneten Schnittstellen, für die den Weltmarkt beherrschenden Betriebssystemen kann guter Content erstellt werden.
Was sind die technischen Grundlagen für Augmented Reality?
Um die Funktionsweisen der beiden Entwicklerumgebungen von Google und Apple vergleichen zu können, muss man sich zuerst mit der allgemeinen Funktionsweise von AR-Systemen vertraut machen.
Um die eigene Realität erfolgreich erweitern zu können, bedarf es drei wesentlicher Komponenten. Zum einen die Hardware mit Kamerasystem und Sensoren, meist in Form eines Smartphones. Dies dient gleichzeitig auch als Anzeigegerät für die virtuellen Objekte. Und schlussendlich die Tracking-Software und Szenengenerator, die für die Berechnung und korrekte Überlagerung mit der reellen Welt sorgen.
Das Zusammenspiel dieser Komponenten funktioniert dann wie folgt: Zuerst wird ein Videostream der unmittelbaren Umwelt aufgezeichnet. Um eine möglichst realitätsnahes Erlebnis garantieren zu können, muss die Position des Betrachters beziehungsweise der Kamera genau zu bestimmen sein. Für diese Berechnung ist die Tracking Software verantwortlich. Für das visuelle Tracking werden in der Regel sogenannte Marker eingesetzt, welche aufgrund ihrer geometrischen Form von der Bildverarbeitungstechnik erkannt werden und somit getrackt werden können. Bei einem nicht-visuellen Tracking erfolgt die Lagebestimmung über verschiedenen Signale, zum Beispiel GPS, akustisches oder magnetisches Tracking etc.
Im nächsten Schritt müssen nun die künstlichen Objekte im reellen Raum verankert werden. Die virtuellen Inhalte werden über den aufgenommenen Videostream überlagert – die Realität somit erweitert. Das Endergebnis kann der Nutzer dann über sein Anzeigegerät sehen.
Wie unterscheiden sich ARKit und ARCore?
„With ARCore […] we transform the future of work and play at Android scale.” [1]
“ARKit takes apps beyond the screen, freeing them to interact with the real world in entirely new ways.” [2]
Die Anwendungsmöglichkeiten für AR sind unglaublich vielseitig und für fast jede Zielgruppe einsetzbar. Die dadurch entstehende Aussicht auf wirtschaftliche Profitabilität, macht die Technologie zu einem reizvollen Geschäftsfeld für viele Unternehmen.
Am anderen Ende der Wertschöpfungskette wollen nun auch die Tech Giganten Apple und Google in das Geschäft rund um AR einsteigen. Mit den Entwicklerumgebungen ARKit und ARCore, sollen also den Entwicklern Werkzeuge an die Hand gegeben werden, mit denen die Entwicklung von AR Apps erleichtert werden soll. Doch wie unterscheiden sich die beiden Anbieter und wo genau liegen die Vorteile?
Im Gegensatz zu ARCore benötigt Apples ARKit keine Hardware, ein A9-Chipersatz genügt, dies vereinfacht das Entwickeln von Apps für die Geräte von Apple. Erste Apps wie die des Möbelherstellers IKEA zeigen wie realistisch und verzögerungsfrei die Darstellung möglich ist. Bei ARCore ist die Anwendung mit dem Nachteil verbunden, dass die technische Ausstattung der Hardware, die auf das Betriebssystem zurückgreift keineswegs einheitlich ist. Dafür werden von Google auch die Entwicklungsumgebungen Unity und Unreal unterstützt.
Der Hauptunterschied der beiden Anwendungen sind die jeweiligen kompatiblen Geräte für ARCore und ARKit. Googles Tool ist derzeit lediglich für Smartphones mit Android 7 Nougat verfügbar. Auch wenn Android das am weitesten verbreitete Betriebssystem für Smartphones ist, so nutzen doch lediglich 20,9% das für ARCore kompatible System. Im Gegensatz dazu prophezeien Analysten, dass Apples AR Software auf bis zu einer Milliarde Geräten bis Ende 2017 laufen kann.
Beide Anwendungen zeichnen sich durch Motion Tracking, light estimation und environmental understanding aus, auch wenn der letzte Punkt bei Apple „plane estimation with basic boundaries“ genannt wird. Das heißt sowohl bei ARCore als auch bei ARKit werden Schlüsselpunkte im Raum erkannt, sodass Objekte punktgenau im Raum angezeigt werden können, auch wenn sich der Nutzer im Raum bewegt. Die Software erkennt, wo sich was in der Umgebung befindet und welcher Sichtbereich gerade vorliegt. Gleichzeitig kann der Lichteinfall erkannt werden um zu bestimmen, wie die virtuellen Objekte beleuchtet werden müssen, um möglichst realistisch zu wirken.
Auch wenn ARKit sich durch ein verlässlicheres Tracking, also die Eigenschaft, dass die virtuellen Gegenstände auch dann an gleicher Stelle wiederzufinden sind, wenn sie zuvor außerhalb der Sichtweite des Anzeigegeräts waren, auszeichnet und ARCore einige Vorteile im Bereich des Mappings hat, so sind doch die technischen Lösungen sehr ähnlich und es liegt letztendlich beim Entwickler welche der beiden Anwendungen er bevorzugt.
Der größte Unterschied und damit auch der Vorteil von ARKit liegt, wie schon beschrieben, in der Verbreitung. Apple hat nicht nur mehr Geräte die die notwendigen Voraussetzungen für AR erfüllen, die Hard- und Software ist speziell für einige wenige Apple Geräte konzipiert. Während es sieben verschiedene von Android betriebenen Versionen gibt, die alle für die jeweiligen AR Apps getestet und optimiert werden müssen, gibt es dieses Problem bei Apple nicht. Des Weiteren sind Apple-User nicht nur sehr Update-affin, sondern in der Regel auch bereit mehr Geld auszugeben, was sich positiv auf die Monetarisierung von Apps auswirken kann.
Des Weiteren unterstützt Amazons Dienst zur Erstellung von VR- und AR-Apps „Sumerian“ bisher lediglich Apples ARKit, zukünftig soll aber auch ARCore folgen.
Was folgt daraus für Firmen und Entwickler im Bereich AR?
Durch die optimierten Schnittstellen von Google und Apple haben Entwickler mehr Zugang zu einer effizienteren und einfach zu bedienenden Entwicklung von AR Apps. So kann davon ausgegangen werden, dass sich in Zukunft mehr Unternehmen smit AR beschäftigen. Dadurch steigt wiederum die Akzeptanz und insgesamte Nutzung von AR, wovon wiederrum die Unternehmen profitieren.
Apple hat mit IKEA einen der wohl am häufigsten genannten Anwendungsfälle im Beriech AR für sich gewonnen. Aber heißt das nun für zukünftige Entwickler, dass ARKit ARCore vorzuziehen ist?
Mit einem Marktvolumen im zwei bis dreistelligen Milliardenbereich bis 2024, werden wohl beide Anbieter ihre noch in den Kinderschuhen steckende Plattformen kontinuierlich weiterentwickeln. Dieser Wettbewerb ist zwar für den Endnutzer von großem Interesse, wenn es um einen möglichst perfekte erweiterte Realität geht, heißt aber auch, dass Entwickler eventuell auf beide Plattformen setzen müssen, um alle Verbraucher zu erreichen. Noch unterscheiden sich die beiden Tools lediglich geringfügig und in Abhängigkeit von den Präferenzen und Zielen der Entwickler. Zwar hat Apple mit seinem ARKit einige Vorteile was die Verbreitung angeht, letztendlich wird sich aber erst mit der Zeit zeigen, ob und welche der beiden Plattformen sich durchsetzt.
[1] Inc, G. (2017), “ARCore – Google Developer | ARCore | Google Developers”, available at: https://developers.google.com/ar/ (accessed 24 November 2017).
[2] Inc, A., “ARKit – Apple Developer”, available at: https://developer.apple.com/arkit/ (accessed 24 November 2017).
Vanessa Kaiser | Hochschule der Medien, Stuttgart
Digital Media Technologies | Prof. Dr. W. Gruel | WS17/18
References
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