In unserer Beitragsreihe “F***ed Companies – Geschichten vom Scheitern” möchten wir Unternehmen aus der digitalen Branche vorstellen, die aus verschiedenen Gründen mit ihrer Idee am Markt gescheitert sind. Bachelor-Studenten der Hochschule der Medien haben sich in einem Seminar bei Prof. Dr. Wolfgang Gruel, Leiter des Instituts für Mobility und Digital Innovation, mit der Frage beschäftigt, warum der Erfolg dieser Unternehmen ausgeblieben ist und haben ihre Ergebnisse zum Thema MySpace mit uns geteilt.
MySpace – eine ausgestorbenen Art in der Gattung “Soziale Netzwerke”
MySpace war bereits 2009 fast der Hälfte aller Online-User (43%) nur noch vom Namen her bekannt, noch 8% hatten noch ein Profil und waren aktive User. Und das, obwohl MySpace zu seinen Hochzeiten 100 Millionen monatliche Besucher verzeichnete. Das kommt nicht an die 1,39 Milliarden Nutzer von Facebook Ende 2014 heran – aber im Jahr 2003, als MySpace gegründet wurde, funktionierte die Online-Welt auch noch ganz anders als heute.
Zu Beginn war die Idee der Gründer hinter MySpace freien Datenspeicherplatz im Internet anzubieten. Doch nachdem die Website gelauncht wurde, verwandelte sich MySpace in eine Community-Plattform für personalisierte Websites und ein soziales Netzwerk. Nutzer hatten die Möglichkeit auf der, durch Werbung finanzierten, Plattform kostenlos ein Profil mit Fotos und Videos einzurichten und eine eigene Homepage, Blogs und Gruppen zu erstellen. Zielgruppe waren vor allem Teenager und junge Erwachsene im Alter von 14-29.
Der Schwerpunkt von MySpace lag vor allem auf der Musik: So richteten bekannte Künstler, Bands und Musikstars ihr eigenes MySpace-Profil ein, um sich mit ihren Fans zu vernetzen und so direkt mit ihnen in Kontakt treten zu können. Gleichzeitig bildeten sich mit ansteigender Nutzung auch ganze Musik-Szenen in der Community von MySpace. Der Austausch über das soziale Netzwerk ermöglichte es Musikern weltweit miteinander zu kommunizieren und gegenseitig füreinander zu werben. So stellte der Musikschwerpunkt von MySpace einen besonderen Erfolgsfaktor für die Plattform dar.
Neue Wege: Die News Corporation von Rupert Murdoch kauft MySpace
Im Jahr 2006 wurde MySpace für $580 Millionen an die News Corporation von Rupert Murdoch verkauft. Mit diesem Kauf änderte sich gleichzeitig die strategische Ausrichtung: Während der Gründer Tom Anderson zum Ziel hatte, eher kleine und unbekannte Künstler auf die Plattform zu bringen, wollte die News Corporation kommerzielle Wege einschlagen und neben der Musik weitere multimediale Inhalte vermarkten z.B. größere Filmprojekte.
Zudem gab es im Jahr 2006 zwei weitere entscheidende Ereignisse, die die Entwicklung von MySpace beeinflussten: Zum einen ging man eine Kooperation mit Google ein, mit der die Google Suche sowie Google AdSense in das soziale Netzwerk integriert wurden. Zum anderen kam ein neuer Konkurrent auf den Markt, der MySpace relativ schnell überholte und gleichzeitig eine andere Strategie fuhr: Facebook. Als Studentennetzwerk für Hochschulen gegründet, schaffte es Facebook sich als weltweit genutztes soziales Netzwerk zu etablieren.
Von diesem Zeitpunkt an wurde es für MySpace immer schwieriger. Die Nutzerzahlen gingen trotz des Markteintritts in Deutschland und Österreich 2007 konstant zurück. Auch die Kooperation mit Google wurde schließlich zum Problem: Die vereinbarten 900 Millionen Dollar, die an MySpace gehen sollten, waren an eine bestimmte Reichweite des sozialen Netzwerkes gebunden. Im Jahr 2010 äußerte sich Chase Carey, der damalige Präsident der News Corporation: “Wir versuchen nicht, mit Facebook zu konkurrieren oder Twitter zu schlagen. Wir versuchen, eine einzigartige Erfahrung zu schaffen.“ Der Versuch MySpace zu einem Unterhaltungsportal zu machen scheiterte ebenfalls. Konkurrenten wie Spotify, Deezer oder Simfy kamen auf den Markt. In den USA lag die Anzahl der Unique Visitors von MySpace im letzten Jahr (myspace.com) laut Statista bei 13,32 Millionen. Im Jahr 2014 waren es noch 32,35 Millionen Unique Visitors.
Potentielle Gründe des Scheiterns: Warum hat es MySpace nicht geschafft seinen Marktanteil zu halten?
Umsatz durch billige Werbung
MySpace ist ein soziales Netzwerk bei dem sich Nutzer kostenlos anmelden können. Daher lag der Fokus von Beginn an darauf, die Umsätze über Werbung zu steigern. Besonders in den Anfangszeiten als die Möglichkeiten Online-Werbung zu schalten noch begrenzt waren, profitierte MySpace von seinem auf Nutzerinteressen basierten Targeting. Bannerwerbung wurde daher auf der Plattform teuer verkauft – ab Preisen von $25.000 aufwärts konnten Unternehmen die Nutzer von MySpace mit Werbung erreichen. Das Problem lag dabei aber vor allem in der Qualität der Werbung. Anzeigen wurden ohne große Sicherheitsüberprüfung geschaltet. Oft wurden Nutzer mit falschen Versprechungen über die Anzeigen zu Umfragen oder Aufforderungen sich für eine Kreditkarte zu registrieren weitergeleitet.
Kein Platz für Unternehmen
Für MySpace lag der Fokus ganz klar auf seinen Nutzern – das ist erst mal nichts Schlechtes. Doch wo sich viele Nutzer und damit viele potentielle Kunden aufhalten, da möchten auch die Unternehmen sein, um sich zu präsentieren, auf sich aufmerksam zu machen und um mit den Kunden zu kommunizieren. Für die Unternehmen war es relativ schwierig sich auf MySpace zurecht zu finden. Facebook erkannte dies relativ früh und stellte Unternehmen zahlreiche Funktionen zur Verfügung: So gab es beispielsweise fast von Beginn an die Möglichkeit ein Unternehmensprofil bei Facebook anzulegen. Bei MySpace scheiterte es oft schon bei der Auffindbarkeit eines Unternehmens: Suchte ein Nutzer bei MySpace z.B. nach dem Getränkehersteller Snapple aus den USA bekam er 107.000 Suchergebnisse, viele davon Fanseiten von Nutzern oder Fakeprofile. Sucht man bei Facebook erhält man 432 Suchergebnisse, das erste ist die offizielle Unternehmensseite von Snapple.
Zu schnelles Wachstum
Das Ziel von MySpace: Möglichst früh, möglichst viel vom Markt zu gewinnen und weltweit an so vielen Standorten wie möglich vertreten zu sein. Zudem wurde immer wieder versucht neue Geschäftsfelder zu erschließen ohne diese im Vorhinein zu durchdenken. Neben der Musik versuchte MySpace im Bereich Bücher, Mode und Sport groß zu werden. Zudem scheiterte der Versuch ein eigenes Netzwerk zur Contentübermittlung aufzubauen. Auch die Idee den späteren Konkurrenten Spotify zu kaufen wurde schnell wieder verworfen. MySpace versuchte zu viele Dinge auf einmal und die Eröffnung zahlreicher Büros an verschiedenen Standorten kostete zusätzliche Zeit und vor allem Geld. Schließlich wurde das Unternehmen bereits nach drei Jahren an die News Corporation verkauft – ab diesem Zeitpunkt änderte sich die Strategie komplett.
Sicherheitslücken
MySpace wurde nicht kontrolliert und war für jeden offen, was bedeutet, dass sich jeder ein Profil anlegen konnte. Die Sicherheitsstandards des sozialen Netzwerkes waren nicht sehr hoch. So kursierte bereits 2006 eine Liste mit 7500 Account-Daten von Nutzern aus den USA im Web, die von Hackern durch eine Phishing-Attacke ergattert werden konnten.
Technologie
MySpace hat den Startschuss der mobilen Nutzung verschlafen und konnte den Bedürfnissen seiner User auch über das Smartphone auf die Plattform zuzugreifen somit nicht gerecht werden. Mobile Technologien wurden von MySpace erst relativ spät etabliert. Im Gegensatz dazu war der Hauptkonkurrent Facebook schon von Beginn an auf mobile Technologien fokussiert und überholte MySpace erneut. Erst ein Jahr nachdem Facebook 2007 die erste iPhone App auf den Markt brachte folgte die App von MySpace.
Fehlende Authentizität
MySpace fehlte es an Authentizität: Als MySpace gegründet wurde, funktionierte die Online-Welt noch ganz anders als heute: Besonders in Chatrooms traten Nutzer mit Nicknames und Pseudonymen auf. Dann tauchte Facebook auf, als erstes soziales Netzwerk in dem reale Namen benutzt wurden und setzte damit einen neuen Trend. MySpace blieb jedoch bei Pseudonymen und verlieh dem Netzwerk dadurch im Vergleich zu Facebook weniger Legitimität und Sicherheit für die Nutzer.
Quellen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/39035/umfrage/unique-visitors-auf-myspacecom/
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Myspace-gleicht-Nutzerprofile-mit-Sexualtaeter-Datenbank-ab-124401.html
https://www.sueddeutsche.de/digital/strategie-gescheitert-myspace-gibt-den-kampf-auf-1.13913
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150165/umfrage/bekanntheit-der-website-myspace-in-2008-und-2009/
https://www.theguardian.com/technology/2015/mar/06/myspace-what-went-wrong-sean-percival-spotify