Der diesjährige Stuttgarter Medienkongress bot neben einer Reihe von aktuellen Studienergebnissen tiefe Einblicke in die Praxis von Content-Schaffenden und -Managern. Die wichtigsten Aussagen, Ausblicke und Erfolgsrezepte hier in Kürze.
Mit einer kurzen Begrüßungsrede steckte Thomas Langheinrich, Präsident der LFK, den inhaltlichen Rahmen des diesjährigen Kongresses ab. Nebenbei lieferte er auch einen Interpretationsansatz für das diesjährige Motto „Träume – Schäume – Zukunftsräume“ um Innovationen, platzende Projekte und Orte, an denen sich der Wandel abspielt. Angesprochen wurden hier etwa die Ungewissheit, ob einzelne Medien noch in Zukunft existieren werden, disruptive Prozesse in der Medienbranche, lineares Fernsehen und überholte Rechtsvorschriften, die den Fortschritt bremsen.
Im Anschluss wurde der von Studenten der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) produzierte Film „Unboxing Publikumsmagneten“ vorgestellt. Zu sehen war eine Collage aus Publikumsmagneten aus Fernsehen und Videoportalen in Form einer großen Bandbreite an Formaten, Qualitäten und Persönlichkeiten.
Der Moderator und Student Norman Baumgartner ging daraufhin in einer kurzen Präsentation auf Produktionskosten und Reichweite von klassischen Fernsehsendungen im Vergleich zu ausgewählten YouTube-Formaten ein. Ein entscheidendes Beispiel lieferte ein Fernseh-Interview mit der Kanzlerin, dessen YouTube-Upload ganze 400 Klicks zählte im Kontrast zu LeFloids Interview mit mehr als 5 Millionen Aufrufen.
Alina – die Liebe und der Sex
Alina Schröder veröffentlicht auf YouTube im Rahmen des SWR-Jugendprogramms DASDING wöchentlich unter anderem Interviews mit Experten und Künstlern und Fakten-Videos rund um das Titelthema. Ihren Kanal beschrieb sie als „ehrlich, humorvoll und tabulos“, ihre Rolle als Union aus Journalistin, Freundin und Ratgeberin für ihre junge Zielgruppe.
Ihr Erfolgsrezept: Crossmediales Teasing, Interaktion mit den Rezipienten, Authentizität und Aktualität in Bezug auf Technik, Themen, Plattformen und Erzählformen. YouTube erlaube in Verbindung mit dem Startup-Charakter ihres Projekts eine hohe Flexibilität, um dieses Rezept auch umzusetzen.
Die Distribution ihres Contents über verschiedenste Social-Media-Kanäle beschrieb sie als den zentralen Teil ihrer Arbeit. Gefragt sei dabei eine aktive Verbreitung auf individuellen und innovativen Wegen und die Ansprache der richtigen Multiplikatoren, statt Inhalte einfach in den Raum zu stellen und auf Erfolg zu hoffen.
Web-TV-Monitor: Der deutsche Online-Video-Markt im Überblick
Dr. Klaus Goldhammer (Goldmedia) und Betram Gugel (Gugel Productions) präsentierten ausgewählte Ergebnisse des diesjährigen Web-TV-Monitor. Dieser zeigt auf Basis von Expertengesprächen etwa, dass Dokumentationen und Nachrichten nach wie vor am häufigsten produziert werden und die Anbieter zunehmend Wert auf mobile Optimierung legen.
Berichtet wurde auch von steigenden Klickzahlen und optimistischen Vorhersagen zur Entwicklung der Nachfrage nach Live-Streams. Die überwiegende Mehrheit der untersuchten Anbieter finanziert sich über Werbung und bietet den Content kostenlos an – nur rund 40% von ihnen arbeiten dabei kostendeckend. Eine Marksättigung sei dabei noch lange nicht abzusehen.
Frequenzraum: (Wie) kann das Medium Radio überleben?
Den Anfang machte der Autor und Künstler Ralf Homann, der von einem Fortbestand des Radios als Medium ausgeht. Seine These: Medien sterben nicht, sie entwickeln sich nur weiter. Das Radio sei kein „zeitbasiertes Medium“, sondern immer im Raum. Es sei linear, aber immer live und besser als andere Medien geeignet für einen Konsum während der Verrichtung anderer Tätigkeiten – eine perfekte Voraussetzung für den Umgang mit dem zunehmenden Gewicht mobiler Mediennutzung. Sein Aufruf: Radio muss wieder Journalismus betreiben und authentisch, ernsthaft und nah beim Rezipienten auftreten.
Zukunftswerkstatt Radio: Mehr Qualität, bitte!
Eine ähnliche Richtung schlug die Studentin Rebecca Beiter ein, die im Dialog mit Prof. Oliver Zöllner Ergebnisse der Zukunftswerkstatt Radio präsentierte – einem gemeinsamen Projekt der HdM und verschiedenen Hörfunkveranstaltern. Sie hob die Erwartungen an das Radio hervor, mehr Haltung einzunehmen, Hintergründe zu berichten, ein vielfältigeres Musikprogramm abseits der Charts anzubieten und vor allem qualitativ höherwertige Sendungen zu produzieren. Für diese Schritte benötige das Medium junge Profis, die jedoch von geringen Gehältern und mangelnden Perspektiven und Übernahmegarantien abgeschreckt würden.
Einblicke in die Praxis ermöglichte Martin Haferkorn, Programmchef des RADIO REGENBOGEN in einem Vortrag zu crossmedialem Content Management. Um erfolgreich zu sein, zähle vor allem eine gute Content-Strategie für Märkte und Kanäle. Storys sollen geplant und koordiniert umgesetzt werden, Content effizient genutzt und auch recycelt durch Wiedereinbindung. Das wichtigste Tool dabei: Ein Content Desk zur Sichtung, Umsetzung und Verteilung von Inhalten, das Story-Ideen aus allen Abteilungen bearbeitet.
Podiumsdiskussion: „Endlich aufhören, in Kanälen zu denken“
Den Abschluss des Panels bildete eine Podiumsdiskussion. Zu Homann und Beiter gesellten sich Andrea-Alexa Kuszák (Die neue Welle), Philipp von Martius (ego FM) und Volker Schwarzenberg (Radio 7). Schwarzenberg forderte hier, man solle „endlich aufhören, in Kanälen zu denken“ und stattdessen auf Zielgruppenbedürfnisse eingehen, Storytelling groß schreiben und effektives Marketing betreiben. Kuszák betonte immer wieder die zentrale Bedeutung von Marken und Emotionen und stellte ihr Konzept rund um mobile Mediennutzung, Social Media und lokale Inhalte vor.
Die restlichen Voträge und Panels beleuchten wir in Teil zwei unseres Nachberichts.
Die Fotos vor Ort stammen von Kim Heck.