Einst als Konferenz für Internet- und Computer-Nerds verschrien, hat sich die re:publica mittlerweile zu Europas größter Digitalkonferenz entwickelt. 800 Redner aus mehr als 45 Ländern und auf 17 Bühnen waren bei der neunten Ausgabe in Berlin mit von der Partie.
Im Nachgang über eine Konferenz wie die re:publica zu berichten, ist keine leichte Sache. Wo fängt man an? Wen der über 800 Redner stellt man vor? Und überhaupt: Braucht es eine Nachberichterstattung überhaupt? Denn wo, wenn nicht bei einer Konferenz, die eben das Leben in einer zunehmend vernetzten, transnationalen und digitalen Welt zum Thema hat – wo also, wenn nicht hier, erlebt Social Media seine Sternstunde. Wer braucht einen Blog-Artikel, der erst einige Tage nach der Veranstaltung erscheint, wenn doch schon während der drei Konferenztage in Berlin – nahezu live – von der re:publica berichtet wurde – mit #rp15?
Rund 7000 Teilnehmer aus 43 Ländern von allen Orten des Globus’ zog die neunte Ausgabe des „Blogger-Klassentreffens“ nach Berlin. Und kaum einer, der via Instagram, Facebook, SnapChat oder Blogs die Welt da draußen nicht wissen ließ, „wie es auf der re:publica so ist“. Wir sind da keine Ausnahme. Schon bei der Badget-Ausgabe hinterlegt man den Namen seines Blogs und seines Instagram-Accounts auf seinem individuell gestalteten Umhänge-Schildchen. 7000 Teilnehmer, 7000 Live-Berichterstatter Wen interessiert da der Schnee von gestern? Wen interessiert da ein Text (zum Lesen!) wie dieser?
Doch Menschen interessieren sich am meisten noch immer – genau: für andere Menschen. Also lassen wir ein paar der Redner zu Wort kommen. Und genau das will die re:publica eben auch leisten: auch für den sozialen Aspekt des Internets will sie – abseits der Vorstellung technischer Entwicklungen – ein Sprachroh sein. Wie kann man das Internet benutzen, um gemeinsam ein besseres Miteinander zu schaffen. „Finding Europe“ – das Motto der neunten re:publica deutet dieses Motiv an. So bietet die Messe in dem ehemaligen Berliner Postbahnhof auch kritischen oder warnenden Stimmen ein Plätzchen: etwa Petra Grimm.
Grimm ist Professorin an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Wie wichtig Normen und Werte im Internet seien, versucht Grimm mit einer Metapher deutlich zu machen. Das Internet sei das Meer, in dem der Einzelne auf einem Schiff ins Ungewisse segle. „Man braucht einen Kompass, der das Individuum navigiert, der einem Orientierung gibt“, sagt Grimm. Und eben deshalb halte sie die Vermittlung von Werte und Normen auch für die digitale Umgebung für essentiell. „Es handelt sich dabei ja um Werte, die sich über tausende von Jahre entwickelt und gefestigt haben“, so die Stuttgarter Professorin, die seit 2014 das zwei Jahre zuvor gegründete Institut für Digitale Ethik an der HdM leitet und sich dort mit eben solchen Phänomen beschäftigt. Man solle, so rät Grimm, sein Verhalten in Social Media stets reflektieren und sich immerzu vor Augen halten, dass Facebook und Co. nichts vergessen. „Die Daten, die man online von sich preisgibt, geraten in die Händen von Unternehmen“, sagt Grimm. Und das potenziell auf ewig. „Man kann diese Daten nicht mehr zurückholen – und damit verliert man unter Umständen einen Teil seiner Selbstbestimmtheit.“ Man denke nur an Jugendliche, die auf Social-Media-Plattformen heuer Inhalte posten, die ihnen Jahre später – etwa bei der Berufssuche – zum Nachteil ausgelegt werden könnten. Social Media könne einem ein Stück weit die Freiheit rauben, glaubt Grimm. „Wir haben dieser Entwicklung die Schleusen geöffnet.“ Gerade die Eltern müssten ein Verantwortungsgefühl für ihre Kinder entwickeln, welche im Internet – wie schon James Dean – oft nicht wüssten, was sie tun. „Man muss Kinder und Jugendliche im Netz schützen. Deshalb dürfen wir Privatheit als Wert nicht aufgeben“, sagt Grimm und nimmt die Politik in die Pflicht, die sich um entsprechende Gesetze zum Schutz der Privatsphäre im Netz kümmern müsse. Man müsse ergo stets an die Zukunft denken, wenn man im Internet aktiv sei.
Diese Worte könnten auch von Stefanie Söhnchen stammen. Söhnchen arbeitet für die Daimler-Tochter moovel GmbH und ist beim Ableger des schwäbischen Autobauers für die Online-Communication-Strategy zuständig. moovel hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich die Zukunft der Mobilität vorzustellen und diese auf diese Weise ein Stück weit zu gestalten. „Wir entwickelt Mobilitätsdienstleistungen, die die Zukunft mitgestalten sollen“, sagt Söhnchen. Und dabei sei vieles denkbar. „Wir gehen davon aus, dass Mobilität ein Thema ist, das jeden etwas angeht“, sagt Söhnchen. Zwar kommen schon zwei Mobilitätsdienstleistungen von dem Stuttgarter Unternehmen (car2go und moovel), aber trotz der Erfahrung ist man sich bewusst, dass man die Zukunft der Mobilität nicht allein erfinden kann. Nein, moovel setzt auf Dialog mit jedem Einzelnen, setzt auf Interaktivität, auf Internationalität – und damit auf das Internet. Gemeinsam wolle man eine Plattform schaffen, auf der Experten wie Laien, Wissenschaftler wie Journalisten, Inder wie Deutsche darüber sinnieren und brainstormen könnten, wie man beispielsweise Bewegungen in der Stadt nachhaltiger gestalten kann, oder auf der Trends erkannt und analysiert werden können – mit Move Forward wurde diese Plattform geschaffen. „Wie wird unser Gesundheitssystem aussehen, wie werden wir älter, wie bewegen wir uns fort, wie sieht die Infrastruktur in ein paar Jahren aus, wie werden Autos künftig miteinander kommunizieren“ – all das seien Fragen, die darunter fallen. Eine Vorstellung sei etwa ein Auto, dass sich an den Wohnraum anschließe. „Wenn man nach Hause kommt, dann dockt sich das Auto an das Haus an und wenn man Besuch bekommt, hat man plötzlich ein extra Schlafzimmer.“
Söhnchen spricht von der „Crowd“, wenn sie an als die vielfältigen Personengruppen beschreibt, die das Projekt gemeinsam stemmen sollen. „Wir können hierzulande nicht vollständig erfassen, wie die Zukunft der Mobilität beispielsweise in Asien aussehen wird“, sagt Söhnchen. Entsprechend brauche man die Einblicke und Ideen der lokalen Experten. „Man kann als Crowd einfach viel mehr bewegen.“ Das Content-Marketing-Projekt kombiniere drei Arten der Online-Kommunikation, die in dieser Weise noch nie miteinander verbunden wurden, sagt Söhnchen. moovels Plattform www.move-forward.com ist multimedial angelegt und sie soll sich aus einem Personenkreis aus allen Fachrichtungen und Ländern speisen. Die Geschäftsführung trete auf, es gebe ein Magazin, in dem internationale Autoren ihr Bild von der Zukunft zeichnen und auf diese Weise zum Dialog einladen. Im „Crowd Innovation Portal“ würden online „Business Cases“ und „Fragen der Zukunft“ geklärt und gemeinsam bearbeitet. Etwa, wie kann man das Smartphone und das Auto kombinieren – oder wie schafft man es, dass das Auto irgendwann selbst einparkt oder gar eigenständig fährt. „Die Fragen sind da, die Fragen sind offensichtlich“, sagt Söhnchen. „Uns geht es darum, gemeinsam die Antworten zu finden.“
Die Antwort auf die Linearität des Fernsehens ist für viele das Online-Streaming. Und tatschlich scheinen Qualitäts-Serien wie Game of Thrones oder Breaking Bad aufgrund ihrer zahlreichen Episoden und ihres Suchtpotenzials besser für Streaming-Dienste im Internet oder Pay-TV zu eignen als für die zeitlich fixierte Ausstrahlung im Free-TV. Mitunter hört man die These, das Fernsehen schaffe sich durch die Dominanz der Qualitätsserien selbst ab. Torsten Koch, der Geschäftsführer Constantin Film-Verleih, erteilt derlei Stimmen eine Absage. „Ich bin der festen Überzeugung, dass es Fernsehen immer geben wird“, sagt er. „Fernsehen hat eine eigene Qualität. Fernsehen liefert Inhalte mit einer speziellen Qualität.“ Gewiss, auch ihm sei das Problem der Linearität des TVs bekannt. Die Aufgabe sei es eben, das Internet mit dem TV zu verbinden zu wissen. „Man muss es vernetzen und parallel kombinieren können.“ Und bei gerade Live-Events, Sportveranstaltungen oder sonstigen Show-Produktionen sei das Fernsehen nicht wegzudenken. Auch für die Werbung stelle das Fernsehen eine immens wichtige Plattform dar. „Auf dem Werbemarkt gibt es eine hohe Nachfrage nach planbaren Umgebungen“, sagt Koch.
Für die re:publica einmal durch die Republik. Die Internet Innovators waren für euch bei der Digitalkonferenz in Berlin und sprachen mit zahlreichen Experten. Die Video-Interviews werden wir euch nun nach und nach vorstellen.