Sharing Economy – Beginn einer neuen Konsumkultur?

Tauschen ist die Urform unserer Ökonomie. Bevor es Geld gab, haben wir getauscht. Seither hat sich unsere Konsumkultur stark gewandelt. Mit dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre entwickelte sich in den westlichen Ländern der Kapitalismus. Kritik und alternative Bewegungen zu dieser Wirtschaftsform gab es bereits in den 70ern. Dennoch ist der Kapitalismus bisher ungebrochen. In den letzten Jahren gewinnt zunehmend die „Sharing Economy“, die Wirtschaft des Teilens, an Relevanz. Doch was steckt hinter diesem Trend? Hat er das Potenzial, unsere bisherige Konsumkultur langfristig zu verändern?

Der Besitz von Eigentum verliert an Relevanz

Mein Haus, mein Auto, mein Boot? – Studien zeigen vermehrt, dass der Besitz von Eigentum an Relevanz verliert. Insbesondere junge Menschen streben immer seltener nach materiellen Statussymbolen. Stattdessen erobern Sharing Economy-Modelle, bei denen materielle und immaterielle Güter geteilt und getauscht werden, den Markt. Die Idee dahinter ist nicht neu. Wohngemeinschaften und Mitfahrgelegenheiten gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Nutzung von Sharing-Modellen ist in den letzten Jahren jedoch rapide gewachsen: Car Sharing, Couch Surfing, Co-Working und Book Crossing sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Möglichkeiten des Teilens.

Der Trend: Weg vom Kaufen, hin zum Teilen

Im vergangenen Jahrzehnt ist einerseits das Bewusstsein über Themen wie Nachhaltigkeit und Gesundheit in der Gesellschaft gestiegen. Menschen sehen in der Sharing Economy eine Möglichkeit, Ressourcen effizienter zu nutzen und die Umwelt zu schonen. Zum anderen ermöglichen das Internet, Smartphones und die sozialen Medien, sich weltweit zu vernetzen und auszutauschen. Früher waren Anbieter und Nachfrager anonym. Bot man einem Tramper eine Mitfahrgelegenheit, stieg in der Regel eine völlig fremde Person ins eigene Auto. Das Internet bietet heute Möglichkeiten, diese Anonymität zu überwinden. Die meisten Menschen, insbesondere der jüngeren Generation, besitzen Social Media Profile, über die sie persönliche Informationen öffentlich machen. Für viele ist es ganz normal, Fotos, Musik oder Texte online zu teilen. Wird unsere Konsumkultur deshalb automatisch kollaborativer?

Der US-amerikanische Ökonom und Sharing-Economy-Vordenker Jeremy Rifkin ist von einem Wandel der Konsumkultur in Richtung „Zugangsgesellschaft“ überzeugt: Das in der Gesellschaft bisher stark ausgeprägte Streben nach Eigentum entwickle sich zunehmend zu einem Streben nach Zugang zu dem, was Netzwerke zu bieten haben. Rifkin zufolge, wird künftig nicht mehr der Kapitalismus die Wirtschaftsweise dominieren, sondern nur noch ein Partner des kollaborativen Konsums sein. – Aber was spricht für diesen von Rifkin prophezeiten Entwicklungstrend?

Sharing Economy eröffnet neue Möglichkeiten

Der Sharing Economy können positive Auswirkungen zugeschrieben werden: Für einige Sharing Angebote, wie beispielsweise Car Sharing und Waschsalons, gibt es bereits wissenschaftliche Studien die zeigen, dass diese Angebote eine effizientere Ressourcennutzung ermöglichen und die Umwelt entlasten können. Auch auf sozialer Ebene bietet die Sharing Economy neue Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. In einer Airbnb-Unterkunft zu übernachten ermöglicht den Kontakt zu Einheimischen. Gleichzeitig sind Airbnbs meist auch deutlich günstiger als ein Hotelzimmer. Dadurch werden Reisen in andere Städte und Länder auch für geringer Verdienende erschwinglicher.

Jeremy Rifkin zufolge verstärkt vor allem die so genannte „Null-Grenzkosten-Theorie“ den Wandel in Richtung einer neuen Konsumkultur: Durch die nahezu kostenfreien Vernetzungsmöglichkeiten entwickeln sich die Produktionskosten für Güter, sogenannte Grenzkosten, immer weiter gegen Null. Je niedriger die Produktions-Grenzkosten sind, desto höher ist der Profit. Daraus folgert Rifkin einen stetigen Zuwachs an Sharing Angeboten in der Zukunft.

Die Schattenseiten der Sharing Economy

In Rifkins „Null-Grenzkosten-Theorie“ liegt jedoch auch ein entscheidender Unterschied zur ursprünglichen Tauschökonomie. Mächtige Plattformunternehmen haben darin ein lukratives Geschäft entdeckt. Sie bringen die Anbieter und Nachfragern mit dem Ziel zusammen, daraus selbst möglichst viel Profit zu schlagen. Im Vergleich zum klassischen Tauschgeschäft steht somit ein zusätzlicher Vermittler und Gewinnschöpfer zwischen Angebot und Nachfrage. Kritiker sehen in der Sharing Economy aus diesem Grund kein „Tauschen“ oder „Teilen“. Die Sharing Economy mache vielmehr aus allem ein kommerzialisiertes Geschäft, das Menschen dazu bringe, für den Güterzugang zu zahlen.

Gegen die bereits erläuterte ressourcenschonende Wirkung mancher Sharing-Konzepte sprechen außerdem so genannte „Rebound Effekte“: Kollaborativer Konsum macht Dienstleistungen und Güter oft erschwinglicher, wodurch sie tendenziell häufiger konsumiert werden.

Sind wir auf dem Weg in eine neue Konsumkultur?

Es ist nicht zu leugnen: Die Sharing Economy, angetrieben durch neue Technologien, beeinflusst aktuell unsere Wirtschaftsweise. Bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und -strategien spielen Sharing Modelle und Plattformen eine bedeutende Rolle. Die Veränderungen wirken sich teilweise auf ganze Industrien aus. Den Menschen bietet die Sharing Economy neue Möglichkeiten des Konsums. Sharing Modelle können für Kostenvorteile sorgen, den nachhaltigeren Konsum fördern und den sozialen Austausch steigern. Als ein „Zurück zum Ursprung unserer Ökonomie“, zum Tauschen im klassischen Sinne, kann der Sharing Economy Trend allerdings nicht gesehen werden. Ob die aktuellen Entwicklungen einen grundlegenden Wandel unserer Konsumkultur bedeuten und ob, wie von Jeremy Rifkin prophezeit, die Ära des Eigentums gerade zu Ende geht und das Zeitalter des Zugangs beginnt? Diese Frage wird sich wohl erst in der Zukunft beantworten.